Kopien von der besseren Zeit

TRIER/LUXEMBURG. Echte Weltstars finden kaum einmal den Weg in die Region Trier. Abhilfe in der Pop-Diaspora schaffen da sogenannte Tribute-Bands - sie kopieren ihre musikalischen Vorbilder bis ins letzte Detail und bringen so zumindest einen Hauch von Pink Floyd, Genesis & Co. in die Provinz.

Vor knapp 30 Jahren war alles besser, viel besser, genau genommen. Es gab noch kein Aids, kaum Armut, und die Stars hießen Bowie oder Bolan und nicht Bohlen. Tschernobyl war ein unbekannter Ort irgendwo tief im Ostblock - und vor allem: Es gab noch keinen singenden Phil Collins, zumindest nicht im Radio. Man konnte die Hände also noch guten Gewissens in Unschuld (gerne auch im Spülmittel) baden und hörte dabei Kraut-Rock, Pink Floyd - oder je nach Gemüt - auch Abba. Während die spätere Generation Golf dazu im Kinderbettchen weinte, weil sie wusste: So was kommt nie wieder. Doch. Die Stars von früher treffen sich allesamt in der Popstar-Diaspora, der Region Trier: Pink Floyd, Abba, Genesis, Queen. Die Musik der Superstars wird in den nächsten Wochen in der Umgebung zu hören sein, selbst Buddy Holly mischt mit. Tribute-Bands - also Gruppen, die ihre Idole bis ins Detail kopieren - machen es möglich: Besonders gern imitiert werden dabei Bands, die nicht mehr oder kaum noch live zu sehen sind. Weil die Künstler entweder tot sind (Jimi Hendrix, "Queen"-Sänger Freddie Mercury, Buddy Holly) oder weil finanziell oder ideell kein Anlass zur anstrengenden Welttournee oder Wiedervereinigung mit früheren Bandmitgliedern besteht (Pink Floyd, Genesis). Es ist einfach, Tribute-Bands zu hassen. So wie man die Cover-Band verflucht, die seit 15 Jahren "Summer of 69" auf dem Dorffest spielt, als läge die Welt seitdem im kulturellen Dauerfrost. Während sich bei manchem Kirmes-Musikanten der Perfektionimus beim Covern analog zum Bierkonsum verhält, sind viele Tribute-Bands geradezu besessen von der Authentizität. Jeder Ton muss stimmen, jede Haarsträhne und jede Bewegung sitzen. Ein besonderes Beispiel dafür sind "The Musical Box". Den Kanadiern kommt eine gewisse Ausnahmestellung zu: Sie bringen die komplexen Frühwerke von "Genesis" drei Jahrzehnte nach den Original-Tourneen wieder auf die Bühnen - und das ist durchaus sinnvoll: Der Zuschauer soll durch die Zeit reisen. Zurück in die Rocktheater-Welt des jungen Peter Gabriel, der bei seinen vertonten Geschichten über Phantasie-Gestalten, Londoner Vorstadt-Duelle oder Immobilien-Haie ständig in neue Rollen und Kostüme schlüpft. "The Musical Box" bringt am morgigen Samstag in Luxemburg (Messehalle 1) absolut identisch die 1973er-"Selling England by the Pound"-Tour auf die Bühne: Jede Ansage, jede Bewegung und sämtliche Lichteffekte und -einstellungen werden exakt reproduziert. Die Kritiken sind euphorisch: Zumindest erhalten die Kanadier vom Genesis-Bassisten Michael Rutherford (Bass) und dem früheren Gitarristen Steve Hackett so etwas wie den Ritterschlag: "Besser als das Original", befand Rutherford. Hackett stellte sich sogar bei einem Konzert bei der Zugabe mit auf die Bühne. Auch Peter Gabriel hat die Show der Kanadier besucht - um seiner Tochter zu zeigen, was der Vater so in seiner Jugend getrieben hat. Vielleicht schaut sich ja auch Phil Collins einmal die Jungs aus Kanada an und bekommt wieder Lust aufs Schlagzeugspielen. Denn das kann er richtig gut

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