Kostbares Leben, rätselhafte Kunst

TRIER. "Macht und Ohnmacht" - der Tagungstitel klingt so umfassend, dass die Inhaltslosigkeit droht. Aber die Ansprachen, die Gespräche und nicht zuletzt die ausgestellten Kunstwerke am "Aschermittwoch der Künstler" gaben dem Thema einen eigenen, vielschichtigen Sinn.

Draußen auf dem Rasen vorm Trierer Robert-Schuman-Haus stemmt sich eine Menschenfigur gegen ein Gerüst. "Erinnerungsstütze" hat der japanische Künstler Seiji Kimoto die Skulptur hintersinnig genannt. Und drinnen, im Gebäude der Katholischen Akademie, stehen die übrigen Plastiken der Ausstellung. Dunkel, fast schwarz und von einer magischen Strenge. Ein ausgemergelter Körper unter einem überdimensionalen Fuß. Ein gespaltener Kopf. Ein gefesselter, gequälter Körper. Arme, die sich nach oben recken. Gitter statt der Gesichte. Immer sind es beklemmende Menschenbilder, Symbole der Gewalt, die Menschen angetan wird.Eine Anthropologie von Zwang und Leid

Eine stumme Anthropologie von Zwang und Leid. Seiji Kimotos Plastiken sind weder politisch fordernd noch moralisch anklagend. Sie demonstrieren nicht, sondern erzählen. Und das mit einer leisen Eindringlichkeit. Darum berühren sie den Betrachter so unmittelbar. Stationen der Schau waren bisher die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und die Dominikanerkirche in Regensburg. Nächster Ort soll das ehemalige KZ Mauthausen werden. "Macht und Ohnmacht" - für sich genommen sagt der Ausstellungstitel, unter dem die Katholische Akademie zum "Aschermittwoch der Künstler" eingeladen hatte, alles und nichts. Aber Seiji Kimotos Plastiken haben das Abstrakte anschaulich gemacht, haben dem problematisch Allgemeinen konkrete Gestalt verliehen. Und so fielen auch die Ansprachen und Diskussionen erfreulich inhaltsreich aus. Bischof Reinhard Marx erinnerte an die Tatsache, dass Leben in der bekannten Welt der absolute Ausnahmefall ist und darum besonders kostbar. Akademiedirektor Jürgen Doetsch erklärte das Thema "Macht-Ohnmacht" angesichts der zahlreichen Gedenktage in diesem Jahr zur Herausforderung für eine Kunst, die ohne lautstarken Betroffenheitsgestus ans Schreckliche erinnern will.Eigenes, Rätselhaftes - das ist Kunst

Roland Simon-Schaefer von der Universität Bamberg schlug unter dem Titel "Vom Eigen-Sinn der Kunst" einen weiten, kunstphilosophischen Bogen von Sokrates über Christian Thomasius und Friedrich Schelling bis hin zu Susan Sontag. Was sich anfangs ausnahm wie eine Präsentation ästhetischer Bildungsgüter, kreiste das Thema gleichsam ein, umschrieb, was Worte nur abstrakt benennen können: die begriffslose Erkenntniskraft der Kunst. "Eigen-Sinn", etwas Sinnvolles, anderen Menschen Vermittelbares und doch etwas ganz Eigenes, Rätselhaftes, dem rationalen Zugriff Unzugängliches - das ist Kunst. "Das hat was" zitierte ein Teilnehmer in der erfreulich konstruktiven Diskussion den Künstler Gerhard Richter. Der bediente sich der mittlerweile werbeästhetisch abgenutzten Formulierung, wenn es ihm um ein gelungenes Kunstwerk ging. Freilich kann das Rätselhafte der Kunst auch zur Ausrede werden für Scharlatanerie. Das klang in einigen skeptischen Anmerkungen des Referenten mit. Es war ein Abend zum Empfinden und Nachsinnen. Keine Kapitulation des Denkens vor der künstlerischen Produktivkraft, aber eine respektvolle, vorsichtige Annäherung. Wenn Kunst beim Reden über Kunst so unmittelbar präsent ist wie die Plastiken von Seiji Kimoto, wird die Theorie lebendig. Seiji Kimoto, Macht undOhnmacht. Bis 20. März im Robert-Schuman-Haus, Trier. Öffnungszeiten Montag bis Samstag, 9 bis 17 Uhr.

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