Kratzen an Klischees

Trier . Beim Weihnachtskonzert des Friedrich-Spee-Chors in der Pfarrkirche Heiligkreuz stellte Chorleiter Martin Folz Zeitgenössisches und Barockes gegenüber.

Es ist die alte Geschichte mit der Weihnacht. Am liebsten haben wir es besinnlich und friedvoll. Dass dabei in Bethlehem Mord und Totschlag eine Rolle spielen, dass dieses kleine Kind nur geboren wird, weil es nach christlichem Glauben für die Menschheit sonst keine Hoffnung mehr gäbe, und dass diesem Neugeborenen schon von Anfang an der Tod am Kreuz bestimmt ist, wird gerne ausgeblendet. Nicht so, wenn der Friedrich-Spee-Chor zu seinem Weihnachtskonzert einlädt. Da kommen Spannungen auf, da reibt es sich. Zu einem musikalischen Gang durch die Advents- und Weihnachtszeit hatte Chorleiter Martin Folz das Publikum in der Trierer Pfarrkirche Heiligkreuz eingeladen, bei dem genau diese Spannungen in den Raum gestellt wurden. Da standen sich seine Variationen über den Verzweiflungsruf "O Heiland reiß' die Himmel auf" und die Weihnachtshistorie, SWV 435, von Heinrich Schütz, das Magnificat in C von Jan Dismas Zelenka und die Magnificat-Antiphonen von Arvo Pärt gegenüber. Oberflächlich betrachtet, könnte man sagen, es gab für jeden Musikgeschmack etwas. Wer aber den Spee-Chor kennt, weiß, dass das zu kurz greift. Mit diesem Programm, abgerundet von frühbarocken Bläserintermezzi, wurde an den Klischees gekratzt. Was vom inhaltlichen Anspruch her nur als gelungen bezeichnet werden kann, glückte auf musikalischer Seite nicht ganz. Über alle Zweifel erhaben war das Euregio-Ensemble für Alte Musik aus Saarbrücken, die mit ihren historischen Instrumenten wie etwa Zink, Dulzian und Violone gediegen musizierten. Auch beim Chor darf man mit Komplimenten nicht sparen. Die zeitgenössischen Hürden nahm er problemlos, und bei der Barockliteratur schaffte er es, sich in diese ganz andere Klangwelt einzufinden. Mit Christiana Jordan hatte Folz eine Sopranistin verpflichtet, die über eine großartige Stimme verfügt. Ein sich Einstellen auf die historische Gestaltungsart, wie es von den Instrumentalisten vorgegeben wurde, gelang ihr jedoch nur teilweise. Folz hatte im Schütz die Partie des Evangelisten selbst übernommen. Ob dies eine gute Lösung darstellt, mag man bezeifeln. Folz verfügt zwar über einen klaren und tragfähigen Tenor. Sein Pendeln zwischen Pult und Solistenrolle aber schafft Unruhe. Begeisterter Applaus zeigte aber, dass die Botschaft verstanden worden war.

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