Kriegs-Klänge aus Wassergläsern

Faszinierend und beklemmendzugleich: Streichquartette von Bartók, Viktor Ullmann und George Crumb in der Luxemburger Philharmonie.

Luxemburg. (mö) Streichquartett kann mehr sein als nur eine Gruppierung von vier Streichern. In den "13 Bildern aus dem dunklen Land", einem klingenden Manifest gegen den Vietnamkrieg, hat der amerikanische Komponist den elektronisch verstärkten und veränderten Streicherklang erweitert. Im Kammermusiksaal der Luxemburger Philharmonie zischen, sprechen, schreien die Musiker des berühmten "Auryn-Quartetts". Sie schlagen einen großen und einen kleineren Gong, schütteln die Rasseln, nutzen alle möglichen Arten, ihre Streichinstrumente zu spielen. Musik zwischen Aggression und tiefer Trauer. Crumb vertieft diese Trauer über den brutalen Krieg noch mit Zitaten aus der europäischen Musiktradition, die klingen, als würde diese Tradition allmählich entschwinden: das gregorianische "Dies irae", eine"Lachrimae"-Pavane von John Dowland, Schuberts "Tod und das Mädchen", Anklänge an Alban Bergs "Lyrische Suite" und an das Englischhorn-Solo aus dem dritten Akt von Wagners "Tristan". Zitate, versetzt mit ganz konkreten Geräusch-Assoziationen: das Summen der Insektenschwärme, das Knattern von Hubschrauber-Rotoren. Und mitten in diese Klang-Eruptionen hinein streichen die "Auryn"-Musiker halb gefüllte Wassergläser an und verbreiten eine Atmosphäre von Beklommenheit. Überhaupt profitierte dieses Konzert von der enormen Kompetenz, dem beeindruckend deutlichen Profil des "Auryn-Quartetts". Bartoks sechstes Quartett: Eine Interpretation weitab aller resignativen Blässe, vital aber gedankenreich und mit einer rhythmischen Prägnanz, die das Werk in die Nähe des späten Beethoven rückt. Viktor Ullmans drittes, schon im KZ Theresienstadt geschriebenes Quartett: Die "Auryn"-Musiker kultivierten mit ruhigem Atem ausdrucksreiche Klassizität - Musik, die angesichts des Äußersten nicht verzweifelt schreit oder zynisch verzerrt, sondern die große, humane Tradition Europas beschwört. Das Wissen um die Vergeblichkeit dieses Versuchs vertieft die Trauer, die das Konzert begleitete wie ein Leitmotiv.

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