Kriegskinder suchen Wurzeln

Wie fühlt es sich an, zu erfahren, dass der leibliche Vater der Folterer der Mutter war? Dieser Frage geht das Stück "Verbrennungen" von Wajdi Mouawad nach, das am Samstag, 19. April, im Trierer Theater Premiere feiert.

Trier. Es ist ein politischer, schwerer Stoff, dem sich Regisseur Steffen Popp und sein Team am Trierer Theater stellen. Die jüngste Produktion "Verbrennungen" des Ensembles ist keine leichte Muse, keine Komödie oder eine barocke Oper, sondern ein Drama mit hohem politischen Anspruch. Wajdi Mouawads "Verbrennungen" handelt von den Folgen des Kriegs im Libanon und ist ein Appell an die Menschlichkeit. Das Stück erzählt die Geschichte der Zwillinge Jeanne und Simon, die zur Testamentseröffnung ihrer Mutter zusammen finden. Und so machen sie sich auch auf die Suche nach ihrem Vater und ihrem Bruder, denn die Mutter hat nie von der Vergangenheit erzählt und fünf Jahre vor ihrem Tod ist sie zum Unverständnis der Kinder vollständig verstummt. Jeanne beginnt, das Leben der Mutter in einem ihr fremden Land zu rekonstruieren. Dabei merkt sie, wie ihre Biografie und die ihres Bruders mit dem Krieg im Libanon verflochten sind, einer Zeit, in der Gewalt regierte. Die ahnungslosen Nachgeborenen müssen nach und nach ohnmächtig erkennen, wie der Krieg ihre eigene Lebensgeschichten prägt. Dabei wird klar, dass mit dem Waffenstillstand der Krieg noch lange nicht zu Ende ist und die Wunden bis in die nächste Generation wirken. Verschiedene Zeitebenen mischen sich. Dabei unterlässt es Mouawad, die Orte beim Namen zu nennen, denn Konflikte wie im Libanon finden überall auf der Erde statt. Regisseur Steffen Popp inszeniert "Verbrennungen" mit sparsamer Ausstattung, reduziert und fokussiert auf die Akteure. Dabei nutzt er die verschiedenen Hebebühnen des Theaters, um Zeit und Raum darzustellen. Ferner Konflikt nahe gebracht

Den abstrakten, fernen Konflikt in der Levante bringt er mit ausdrucksstarken Dialogen und kraftvoller Sprache nahe an das Publikum heran. "Verbrennungen" ist der zeitgenössische Ausklang der Spielzeit 07/08 des Trierer Theaters und leitet programmatisch über zum Theaterfestival "Maximierung Mensch!", das die Spielzeit im April/Mai bestimmt. In der Rolle der Jeanne debütiert Antje-Kristina Härle am Trierer Theater. Die in Tübingen geborene Schauspielerin hat an der Folkwang-Schule in Essen 2007 mit Diplom abgeschlossen. Es wirken mit: Vanessa Daun, Claudia Felix, Susanne Flury (als Gast), Antje Härle (als Gast), Jan Brunhoeber, Manfred-Paul Hänig, Klaus-Michael Nix, Michael Ophelders und Alexander Ourth. Regie führt Steffen Popp. Das Bühnenbild stammt von Dirk Immich, die Kostüme von Carola Vollath. Dramaturgin ist Sylvia Martin. Premiere ist am Samstag, 19. April, 19 Uhr, im Großen Haus des Trierer Theaters. Weitere Termine: 25. April, 20 Uhr; 7. Mai, 20 Uhr; 13. Mai, 20 Uhr; Tickets: 0651-7181818Hintergrund Wajdi Mouawad (1968 im Libanon geboren) ist ein libanesischer Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur. Er ist in Frankreich aufgewachsen und lebt seit einigen Jahren in Kanada. Dort erhielt er eine Schauspielausbildung an der "École Nationale de Théâtre du Canada", gründete und leitete ein eigenes Theater in Montréal und avancierte zu einem der führenden neuen Talente im franko-kanadischen Sprachraum. Unter dem Titel "Incendies" wurde "Verbrennungen" 2003 in Montréal uraufgeführt. Als zweiter Teil einer geplanten Tetralogie ist es jetzt ins Deutsche übersetzt worden und kam erstmals 2006 zur Aufführung. Inzwischen wird es an mehreren deutschen Bühnen gespielt.

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