Kultur ist ein teurer Spaß: Was kostet ein Theater und was bringt es der Stadt?

Trier · Die Stadt ist pleite, steckt aber viel zu viel Geld ins Theater. Ein Vorwurf, der in Kulturdebatten häufig erhoben wird. Auch in Trier. Wie viel Geld ist das eigentlich in Trier? Und was bekommt die Stadt für ihr Geld zurück? Eine Spurensuche in Statistiken.

Kultur ist ein teurer Spaß: Was kostet ein Theater und was bringt es der Stadt?
Foto: Trierischer Volksfreund/Archiv

Trier. Über sechs Millionen. Genauer gesagt: 6 161 864. So viele Menschen haben das Theater Trier besucht, seit es 1964/65 den Betrieb am Augustinerhof aufgenommen hat. Eine stolze Zahl. Vor allem in den Anfangsjahren trieb der Reiz des Neuen die Menschen in Scharen in das damals neue, moderne Gebäude. 153 111 waren es in der Rekordspielzeit 1965/66 (siehe nebenstehende Grafik). Betrachtet man den Jahresdurchschnitt der 50 Spielzeiten, ergibt sich ein Besucherwert von 123 237.120 000 Besucher pro Jahr


In den vergangenen Jahren lag die Besucherzahl mal deutlich unter diesem Schnitt, einige Jahre lang aber auch darüber, vor allem, als es Anfang des Jahrtausends noch die Antikenfestspiele mit mehreren Inszenierungen im Sommer gab. 112 271 Menschen besuchten das Theater in der Spielzeit 2013/14. Im Hinblick auf die Einwohnerzahl könnte man sagen: Praktisch jeder Trierer hat sich eine Aufführung angesehen - aber die Schlussfolgerung wäre natürlich albern. Tatsächlich kommen rund 50 Prozent der Besucher des Theaters gerade nicht aus Trier. Das ist letztlich auch mit ein Grund dafür, dass die Kosten für Bau und Unterhaltung des Theaters sowie für den jährlichen Betrieb nicht alleine bei der Stadt Trier liegen, sondern vom Land kofinanziert werden.60 Euro pro Besucher


2014 hatte das Theater Trier einen Etat von 13,6 Millionen Euro, vom dem die Stadt 6,7 Millionen Euro bezahlte. Jeder Theaterbesuch wurde aus der Stadtkasse also mit 59,86 Euro subventioniert. Ein Betrag, der immer wieder Kritiker auf den Plan ruft. Sollte eine chronisch klamme Stadt wie Trier so viel Geld für Hochkultur ausgeben? Wird da mit viel Geld ein Angebot subventioniert, das nur eine kleine Schar von Bildungsbürgern in Anspruch nimmt?
Um das beurteilen zu können, müsste man das Publikum des Theaters besser kennen. Eine genau Statistik darüber, welche Berufsgruppen unter den Besuchern sind, welche Altersstruktur sie haben und welche Bildungsabschlüsse, gibt es derzeit allerdings nicht, auch wenn das Theater diese in Zukunft über eine Kundenbefragung ermitteln will. Als relativ sicher gelten darf aber, dass sich die Trierer Theaterbesucher vermutlich nicht wesentlich von denen anderer Theater unterscheiden dürften. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt zum Ergebnis, dass Frauen hochkulturelle Veranstaltungen häufiger besuchen als Männer.Je älter, desto Theater



Auch zum Alter und zur Bildung gibt es Aussagen: Je älter ein Mensch ist (bis zum 75. Lebensjahr) und je höher sein Bildungsabschluss ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Opern, Theater und Museen besucht. Wenig überraschend ist die Erkenntnis, dass Arbeitslose seltener Kulturangebote wahrnehmen als Erwerbstätige und Einwohner ländlicher Gebiete seltener als die städtische Bevölkerung.
Stellt man aber, so die DIW-Forscher, die geringeren Einkommen auf dem Land und das dort auch geringere Angebot an Hochkultur in Rechnung, so unterscheidet sich die Kulturnachfrage auf dem Land nicht von der in Städten. Die Menschen sind also durchaus bereit, Geld für Kultur zu investieren. Durchschnittlich gab jeder private Haushalt 2011 rund 144 Euro für Kulturveranstaltungen aus, in der Summe sind das deutschlandweit 5,7 Milliarden Euro. Der Betrag ist im Verlauf der Jahrzehnte gewachsen.
Zurück zu den Besuchern: Tatsächlich scheinen Theater also vor allem höher gebildete und vermögendere Besucher anzulocken. Doch natürlich ist das nur die halbe Wahrheit. Gerade etwas populärere Stücke, Musicals oder Operetten, locken auch breitere Publikumsschichten an. Anders wäre nicht zu erklären gewesen, dass 2011 über 14 000 Besucher die West Side Story in der ehemaligen Bobinet-Fabrikhalle sehen wollten. Und das Theater schafft es auch, in jedem Jahr Tausende von Kindern aus allen Bildungsschichten mit Kultur in Berührung zu bringen - dank der Kindertheateraufführungen.Arbeitsplatz, Standortfaktor



Es erfüllt zudem natürlich auch einen Bildungsauftrag, sorgt mit der Auswahl der Aufführungen dafür, dass nicht nur auf dem Spielplan steht, was sich rechnet. Dass Kultur nicht nur Populärkultur ist, sondern auch die Stücke von jungen oder weniger bekannten Autoren oder Komponisten eine Chance haben, auf die Bühne zu kommen.
Wer die Frage nach den Investitionen in Kultur stellt, darf schließlich auch nicht vergessen, dass die Kultur selbst auch Wirtschaftsfaktor ist. Das Theater in Trier bietet derzeit 223 Menschen Arbeitsplätze - Menschen, die in Trier leben, einkaufen, Geld ausgeben. Noch gewichtiger scheint da das Argument, dass Theater zu den sogenannten "weichen Standortfaktoren" gehören. Eine Forschergruppe des Max-Planck-Instituts für Ökonomik veröffentlichte 2010 eine Untersuchung, die anhand langfristiger Untersuchungen von Theaterstandorten zeigte, dass kulturelle Angebote Städte und Regionen interessanter für hochqualifizierte Arbeitskräfte machen, die ihrerseits für ein höheres Wirtschaftswachsum in der jeweiligen Region sorgten. Der Schluss der Forscher: Kulturförderung kann Wirtschaftswachstum steigern. Wenn die Stadt Trier also 6,7 Millionen Euro in den Betrieb des Theaters investiert, in die insgesamt 350 von dort ausgehenden Veranstaltungen, dann erfüllt sie damit nicht nur den staatlichen Bildungsauftrag, sondern sie tut sich womöglich auch in Sachen Wirtschaftsförderung selbst ein Gutes.

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