Kulturelle Kulissenschieberei

Zum Auftakt des Eifel-Literatur-Festivals 2008, das vom Trierischen Volksfreund präsentiert wird, geht einer der ganz großen deutschen Schriftsteller der älteren Generation gleich zweimal an den Start: Martin Walser liest am Freitag, 25. April, in Prüm und am Samstag, 26. April, in Welschbillig im Kreis Trier-Saarburg.

Prüm/Welschbillig. (jöl) Sein Name steht in einer Reihe mit Siegfried Lenz und Günter Grass. Der gerade 81 Jahre alt gewordene Martin Walser lebt am Bodensee - und damit am Rande der Kulturmetropolen, Handelszentren und industriellen Ballungsgebiete Deutschlands. Doch seine literarischen Werke seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts sind stets realistische Beobachtungen menschlicher und gesellschaftspolitischer Verhältnisse. Im Zentrum seiner Romane steht dabei häufig die Liebe, zunehmend auch die über Generationen hinweg. Das war so etwa schon 1978 in der Novelle ,,Ein fliehendes Pferd", in ,,Lebenslauf der Liebe" (2001) oder auch zuletzt in ,,Angstblüte" (2006). Doch spielten die genannten Werke bisher in der Gegenwart des 20. und 21. Jahrhunderts, so verfasst Walser jetzt mit ,,Ein liebender Mann" zum ersten Mal einen historischen Roman.Im Mittelpunkt steht die Liebe des 74-jährigen Dichters zu der 19-jährigen Internats-Schülerin Ulrike von Levetzow. Walser interessiert vor allem ,,der leidende Goethe", nicht der über allen menschlichen Gefühlen schwebende Dichterfürst. Daher betrachtet Walser auch Thomas Manns Goethe-Roman ,,Lotte in Weimar" nicht als übermächtiges Vorbild für das eigene Werk. Für den ,,Liebenden Mann" verließ Walser sein Haus am Bodensee und recherchierte sowohl in Karlsbad als auch in Marienbad vor Ort, begab sich also auf die Spuren seines ,,Helden". Zudem fand die öffentliche Vorstellung des Buchs in Weimar, also in Goethes Heimat, statt.Der moderne Schriftsteller tituliert Goethes Verzicht auf die Liebe zu Ulrike als ,,Entsagungs-Theater", ,,Entsagungs-Schau" oder ,,kulturelle Kulissenschieberei". So wird der liebende Mann zum leidenden Mann, der sein Inneres vor der Öffentlichkeit verbirgt. Walser thematisiert am Beispiel Goethes das Elend vom Altwerden. Elke Heidenreich (,,Lesen") urteilt über den ,,Liebenden Mann": Walsers blitzgescheiter Witz, so selten in der deutschen Literatur, hier ist er wieder, und alles Muffige und Verklemmte verschwindet aus dieser Geschichte der Wehmut...." Martin Walser: Freitag, 25. April, 20 Uhr: Wandalbert-Hauptschule Prüm; Samstag, 26. April, 20 Uhr: Kulturscheune Welschbillig. Karten für alle Lesungen des Eifel-Literatur-Festivals gibt es in denTV-Presse-Centern Trier, Bitburg undWittlich.

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