Kuscheln, knutschen, zappeln

Superstar auf der Bühne: Schmuse-Sänger Seal hat am Montag bei seinem vom Trierischen Volksfreund präsentierten Konzert die Arena Trier in eine Partyzone verwandelt. 2500 Besucher tanzten begeistert zu den weltweit bekannten Hits des Briten.

Trier. "Lasst uns viel Spaß haben", ruft der Mann mit der imposanten Statur und der markanten Narbe im Gesicht, die von einer seltenen Kinderkrankheit herrührt. Einen anderen Anspruch kann Seal kaum haben, hat er sich doch in den vergangenen Jahren rar gemacht. Sein letztes Album "Seal IV" erschien im Oktober 2003. Daher kennt man seine Songs nur noch aus dem Radio und ihn eher als Ehemann von Top-Modell Heidi Klum. Die spielt später noch eine Rolle, obwohl sie gar nicht in der Halle ist.Der Auftritt des ehemaligen Pop-Giganten wird zu einer Reise in die 90er, in die Welt der Discos und Tanzpaläste. Seal ist einer der erfolgreichsten Solokünstler dieser Zeit, hat 15 Millionen Platten verkauft und Preise wie den Grammy oder den Brit Award eingeheimst. Seine Fans sind Ü-30er, die früher viel am Wochenende unterwegs waren. Heute zählen sie zu den eher Gesetzteren der Gesellschaft. Aber Abende wie diesen nutzen sie gerne. Die Belohnung winkt, weil Seal trotz längerer Bühnenabstinenz nichts von seiner Präsenz und seinem Charisma eingebüßt hat. Schon nach den ersten Takten wird klar: Dieser Mann braucht keine bombastische Bühnenshow oder eine große Band. Fünf Leute, die eher dezent auftreten, reichen. Denn Seal hat eine melodische, samtweiche Stimme, wie es sie wohl kein zweites Mal auf der Welt gibt. Enorm gefühlvoll zieht er das Publikum in seinen Bann. Erinnerungen an Barry White werden wach

Vieles an ihm erinnert an den unvergessenen Barry White. Mancher kuschelt und knutscht oder erinnert sich daran, wie es früher war, wenn der 44-Jährige seine Schmuse-Songs "Love's Divine" oder "My Vision" bringt."Wo ist Heidi?", tönt es plötzlich von der Tribüne. Zunächst reagiert Seal nicht. Wenig später wiederholt er selbst die Frage, schmunzelt dabei - und bringt die Arena-Besucher dazu, mit ihm das Kinderlied "Heidi, deine Welt sind die Berge" zu schmettern. Das ist indes nur eine perfekte Überleitung. Man ahnt, dass er an seine Frau denkt, als er voller Leidenschaft "Kiss from a rose" singt. Dieses Lied zählt zu seinen bekanntesten und erfolgreichsten, es erschien 1994 und war gleichzeitig auf dem Soundtrack zum Film "Batman forever". Die sanftmütigen, bisweilen schwermütigen Songs sind nur eine Seite des Briten. Er kann auch anders. "Killer" war 1990 sein erster Hit, der um die Welt ging. Da zucken die Glieder, der Körper bewegt sich von ganz allein. "Get it together" ist auch eines jener Stücke, die einen einfach zum Tanzen zwingen. In diversen bunten Blättchen ist immer wieder zu lesen, wie hingebungsvoll sich der Sohn brasilianischer und nigerianischer Einwanderer, der eine schwere Kindheit verbracht hat, seinen Kindern widmet. Seal, ein abgehalfterter Künstler von gestern, der nichts Neues mehr zu bieten hat? Mitnichten: Ein neues Album ist fast fertig, es heißt "System". In Trier ist davon noch nichts zu hören, aber Seal will wiederkommen in den äußersten Westen Deutschlands. Seinem ersten Auftritt in der Arena, dem einzigen in Rheinland-Pfalz, hat er nach eigenem Bekunden mit gemischten Gefühlen entgegengesehen, weil er nicht gewusst habe, was ihn erwartet. Vermutlich steckte dahinter ein bisschen Angst, seine Fans nicht mehr begeistern zu können. Diese Furcht dürfte verflogen sein. Und wer weiß, vielleicht bringt er ja beim nächsten Mal seine Heidi mit.

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