Ladies‘ Night als Männerkracher

TRIER. Jedes Fest hat seinen Höhepunkt. Beim Trierer Theaterfest begann er um neun Uhr abends und dauerte geschlagene zwei Stunden: "Ladies‘ Night" hat das Zeug zum Kultstück der Saison.

Die Engländer müssen zwar Hartz IV nicht fürchten; aber Arbeitslosigkeit ist auch auf jenem Kleinod, in die Silbersee gefasst, nicht wirklich lustig. Vor allem wenn der Lohn ausbleibt und die Gattin munter weiter mit der Visa-Karte shoppen geht. Fünf harte Kerle und ein zum Showprofi mutierter Hobbytänzer beschließen, dem drohenden Absturz zuvorzukommen: Angeregt von der Strip-Truppe "The Chippendales" und vor allem vom hysterischen Gekreisch ihres weiblichen Publikums beschließen sie, eine eigene Truppe auf die Beine zu stellen. Das klappt, mit den üblichen Krächen, Eifersüchteleien und Reibereien, ganz leidlich, bis Dave, der selbst ernannte Manager der Truppe, die Gretchenfrage stellt: Ganz oder gar nicht? Denn um die knackigen Kalifornier in ihren Stringtangas zu toppen, müssen die "Wilden Stiere" eben diese auch noch abstreifen. Tja, so war das eigentlich nicht gemeint, oder? Die gestandenen Mannsbilder, denen kein Chauvi-Spruch tief genug unter die Gürtellinie gehen kann und kein Blondinenwitz zu doof ist, gucken auf einmal ganz betreten aus der nicht gerade modischen Wäsche. Gegen fixe Sprüche über fette Hintern und Flachland im Pulli, solange sie das Gegengeschlecht betreffen, ist ja nix zu sagen. Aber wenn‘s ums eigene Aussehen geht, ist das doch was gaaanz anderes. Ist die Brust zu wabblig oder der Schniedel zu kurz? Blamiert er einen vielleicht sogar mit ungebührlichem Verhalten bei der ersten Show vor den - dann sicherlich noch lauter - kreischenden Mädels? Das sind Probleme, von denen Frauen ja überhaupt keine Ahnung haben! Aber so rot, wie die Zahlen auf dem Bankkonto schon sind, können die Männer gar nicht werden. Deshalb heißt die Losung, nach wochenlangem Training: Spot on, Slip off! Stephen Sinclair und Anthony McCarten aus Neuseeland schrieben ihre Komödie "Ladies‘ Night", in der der Mut der Verzweiflung über die Trostlosigkeit der Gegenwart triumphiert, 1987; als "Ganz oder gar nicht" wurde sie als Film 1997 auch hierzulande ein Überraschungserfolg. Regisseur Jürgen Lorenzen hat das bombensichere Stück zum Auftakt der Ära Weber inszeniert. Den ernsten Bodensatz hat er dabei zugunsten der Komik in den Hintergrund gerückt und auch die Männerprobleme nur am Rande gestreift. Egal, denn Christoph Bangerter, Jan Brunhoeber, Christian-Joachim Friedrich, Jens Koch, Hans-Peter Leu und Tim Olrik Stöneberg - die Nennung ist deshalb neutral alphabetisch, weil rangmäßig jeder auf seine Art irre gut war - brachten die Reihen in Rage. Erstmals in der Geschichte des Hauses wurde vom Publikum beim Schauspiel (!) eine Zugabe verlangt. Nun waren die Mimen doch überfordert, die zuvor nahezu jeden Auftritt zu einem Showstopper gemacht hatten. "Ladies‘ Night" wird von Oktober (24.) bis Mai übrigens nur sieben Mal gespielt. Wetten, dass das nicht reicht?

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort