Lauter Superlative

Der letzte Tag der Konstantin-Ausstellung hätte kaum unterschiedlicher sein können: Während die Macher Bilanz zogen und feierten, nutzten etliche Besucher buchstäblich die letzte Minute, um sich die Schau doch noch anzusehen.

Trier. Kurt Kaiser blickt leicht grimmig auf die lange Schlange, die sich am Sonntagmorgen schon wieder vor dem Landesmuseum gebildet hat. Seit fünf Monaten steht er an der Eingangskontrolle, aber die letzten Tage "waren doch ein ziemlicher Horror". Mehr als 5000 Menschen schoben sich täglich durch die teilweise schmalen Ausstellungsgänge. Und lustigerweise hörte Kurt Kaiser gerade in den Final-Wochen immer öfter moselanische Klänge zwischen den flämischen, englischen oder französischen Wortfetzen heraus. "Ja, unsere Trierer", grinst der Mann mit dem konstantinischen Nachnamen, "die sind halt immer etwas spät an". Selbst schuld, wenn sie sich jetzt drängeln müssen.Eitel Sonnenschein bei den Verantwortlichen

Derweil stehen im Nebentrakt die Ausstellungsmacher in einer Serie von Diskussionrunden Rede und Antwort. Die wissenschaftlichen Direktoren, die Museums-Chefs, der GmbH-Geschäftsführer: allenthalben herrscht eitel Sonnenschein. Man könnte ein Lexikon mit Superlativen füllen: "Großartig", "toll", "einmalig", "grandios", " Glücksfall". Aber es klingt nicht nach Selbstbeweihräucherung, eher wie ehrliche Begeisterung über das, was man in Bewegung gesetzt hat. "Die Vergangenheit ist nicht tot, sie steckt in uns", ruft Professor Alexander Demandt aus. Karin Goethert vom Landesmuseum erinnert, diplomatisch verklausuliert, an die "Turbulenzen", die das Projekt über Jahre verzögerten. Ihr Kollege Winfried Weber vom Dom-Museum freut sich über die "erstaunlich lange Verweildauer" des Publikums. Letztere macht unterdessen im Hauptgebäude den Besuchern in dem langen Schlauch zu schaffen, der die "Christenverbrennung" mit der "Schatzkammer" verbindet. "Niet ejben comfortabel", befindet Bart Sneijders aus Volendam, der sich mit Frau und drei Kindern durchs Museum schlägt. Und trotzdem: "Echt magistraal", sagt er, und es klingt so, als gäbe es im Niederländischen kein höheres Lob. "Wir müssten einen Monat dranhängen", sagt der nette Herr Baltes vom Wachdienst, der wie ein Fels in der Besucher-Brandung steht. Nebenan am Diskussionspult stehen inzwischen die Organisatoren des Tagesgeschäftes und plaudern abenteuerliche Interna aus. Wer hier lauscht, ahnt, dass sich die Zusammenstellung einer solchen Mammut-Ausstellung an der Grenze von Genie und Wahnsinn abspielt. Tausende von Leihgaben erstmal finden, dann einwerben, nach allen Regeln der Kunst und unter kompliziertesten klimatischen, räumlichen und organisatorischen Bedingungen an Ort und Stelle unterbringen, die Ausstellungs-Architektur einbinden und das Publikum nicht aus den Augen verlieren: Was die Restauratoren, Archäologen und Organisatoren da geleistet haben, ist unglaublich. "Aber es wurde von Tag zu Tag schöner", schwärmt Historiker Lothar Schwinden. Unglaublich ist mittlerweile auch der Betrieb im Museums-Shop. Professor Demandt, einer der wissenschaftlichen Leiter, stellt sich unter den Massen an der Kasse an, um sich mit Andenken-Postkarten zu versorgen. "Wir haben die letzte Palette mit Katalogen angebrochen", sagt Mitarbeiterin Christine Kielmann. Die anderen Standorte sind schon ausverkauft, was den Betrieb in dem kleinen Laden noch anheizt. Im Nebengebäude ziehen indessen die Öffentlichkeitsarbeiter und Museumspädagogen Bilanz. Mechthild Neyses-Eiden vom Landesmuseum zitiert stolz aus den Gästebüchern, in denen Trier schmeichelhafterweise mit der Berliner Museumsinsel verglichen wird, und sogar Kinder ihrer Begeisterung Ausdruck verleihen. 1000 Führungen hat es allein für Schüler gegeben. Presse-Chefin Mirjam Flender erzählt von 15 000 Zeitungsartikeln und nächtlichen Radio-Interviews für australische Sender. Aber das dickste Lob kommt von außen: Die stellvertretende IHK-Vorsitzende Andrea Weber sagt, Handel und Gastronomie in Trier hätten "in ihren kühnsten Träumen keine solche Nachfrage erwartet". Und der Erfolg hänge damit zusammen, "dass man das Herzblut der Macher gespürt hat". Aber sie mahnt auch: "Entscheidend ist, wie es jetzt weitergeht". Für Hans Kiefer wird sich diese Frage auch bald stellen. "Ein Dutzend Mal" sei er in der Ausstellung gewesen", schätzt der 50-Jährige aus der Nähe von Trier. Einer von vielen Dauergästen. "Mir wird was fehlen", grummelt er, und ruft dem mächtigen Konstantin-Kopf im Erdgeschoss ein freundliches "Tschüss, Alter" zu. Das könnte etwas verfrüht sein. Der marmorne Dickschädel bleibt auf jeden Fall bis zum Frühjahr, und Konstantin-Chef Eckart Köhne hofft immer noch auf eine Kopie, die in Trier bleiben könnte. Damit, wie seine Kollegin Neyses-Eiden sagt, "wir die Spuren Konstantins auch künftig in Trier halten".

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