Leben im Zickzack

Eine geradlinige Biografie will sich Walter Schenker selber nicht bescheinigen. Aber wenn von seiner literarischen Produktion die Rede ist, klingt ein Quäntchen Stolz mit - immerhin erschienen seine Romane in bedeutenden Verlagen. Am 16. Juli wird der Schriftsteller, Diakon und einstige Trierer Professor 65. Und er denkt schon mal über ein Zweitstudium nach.

 Walter Schenker gilt als Begründer des Eifel-Romans. Foto: TV-Archiv

Walter Schenker gilt als Begründer des Eifel-Romans. Foto: TV-Archiv

Trier. Sein 1982 erschienener Roman "Eifel" machte die lange vernachlässigte Region wieder literaturfähig, Jahre bevor der erste Eifel-Krimi erschien. "Anaxagoras oder der Nord-Süd-Konflikt" spielt zwar in der Antike, ist aber ein Zeitroman, der die mal gefällige, mal wehleidige Nabelschau der bundesdeutschen Gesellschaft in den 1980er Jahren mit sanfter Ironie spiegelt. Und in "Professor Gifter" von 1979 provozierte Walter Schenker die indignierte Reaktion von Universitätslehrern - fünf Jahre, bevor sein eigener Vertrag als Professor auf Zeit an der Trierer Universität nicht verlängert wurde.Ein "ziemliches Zickzack", sei seine Biografie, sagt Schenker, der am Mittwoch, 16. Juli, 65 Jahre alt wird. Und mit einer geradlinigen Laufbahn hat seine wissenschaftlich-literarisch-pastorale Existenz in der Tat wenig zu tun. Sein Leben als Sprachforscher, als Literat, als Diakon und neuerdings wieder als Lernwilliger ist erstaunlich kurvenreich und vielschichtig verlaufen. Es hat ihm trotz mancher schweizerisch-beschaulichen Elemente weder an Dramatik noch an Tiefsinn gefehlt hat, wobei die literarische Brillanz des Autors Schenker gelegentlich umschlug in satirische Brisanz. Anfangs sprach alles für eine unspektakuläre akademische Laufbahn: 1970 nach Studienabschluss wissenschaftlicher Assistent an der Universität Zürich, 1974 Assistenzprofessor an der Trierer Universität, 1975 Habilitation über die Sprache der Reformatoren Luther und Zwingli, 1979 Professor auf Zeit in Trier - bis 1984 dieser Zeitvertrag nicht mehr verlängert wurde, was Schenker mit der Formulierung kommentiert, er sei "fortgejagt" worden. Aber das Ende der Karriere bedeutet zugleich intensivere literarische Produktion und verstärkte seine Präsenz als Schriftsteller. Der Roman "Eifel" wurde 1988 verfilmt und, freilich ohne spektakulären Erfolg, im Fernsehen gezeigt. In den Auszeichnungen, die Schenker schon seit 1983 erhielt, spiegelt sich auch die Anerkennung in der literarischen Öffentlichkeit. Überdies publizierten renommierte Verlage seine Romane: Rowohlt, Manesse, Ammann. Breitenwirkung allerdings war nur dem Roman "Eifel" beschieden, der im Trierischen Volksfreund als Fortsetzungsroman erschien. Die Wendezeit nach dem Fall der Mauer vollzog Schenker auf seine Weise. 1995 ließ er sich zum Diakon weihen, zum Laiengeistlichen der katholischen Kirche. Und orientierte sich in einer Zeit, in der sich viele zum neoliberalen Credo bekehrten, ganz anders. Ein Literat, dem Geschmackvoll-Frivolen keineswegs abgeneigt, wurde praktizierender Christ. Diese Wende indes war kein frömmelnder Rückzug. Walter Schenker bleibt Schriftsteller. Derzeit entsteht beim Verlag "Books on demand" in Norderstedt eine zehnbändige Werkausgabe, deren siebter Band in Kürze erscheinen wird. Bald soll auch der neue Roman "Porta Nigra" auf den Markt kommen, in dem sich der Autor auch ironisch-distanziert selber darstellt. "Held" des Buchs ist nämlich ein größenwahnsinniger Diakon. Und gerade hat Schenker beschlossen, seiner Biografie eine neue Facette mitzugeben. "Ich werde vom nächsten Semester an wieder studieren", erklärt er. Welches Fach, lässt er vorläufig offen.

Bibliographie

Romane von Schenker: Professor Gifter, 1979, Neuauflage 2007; Anaxagoras, 1981, Neuauflage 2006; Eifel, 1982, Neuauflage 2005; Gudrun, 1985, Neuauflage 2006; Engelsstab oder Paris am Gegenpol der Melancholie, 1986; Am anderen Ende der Welt, 1988; Manesse, 1991, Zum roten Stiefel, 2005

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