Leben ohne Existenzangst

Bescheiden leben, in Würde leben dank einer staatlichen Leistung? Freiraum gewinnen ohne Existenzangst? Ist das möglich?

 Professor Götz W. Werner, Gründer von dm und Visionär des „Bedingungslosen Grundeinkommens“. Foto: privat

Professor Götz W. Werner, Gründer von dm und Visionär des „Bedingungslosen Grundeinkommens“. Foto: privat

Trier. (ae) Professor Götz W. Werner, Gründer der dm-Märkte, referiert am heutigen Montag in der Tufa Trier über das Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen". Worum es bei seiner Idee geht, erläuterte er unserer Mitarbeiterin Anke Emmerling.

Was genau ist "Bedingungsloses Grundeinkommen" (BGE)?

Götz W. Werner: Ein Betrag, der an jeden Bürger vom Staat ausbezahlt wird, ohne dass von ihm eine Gegenleistung erwartet wird und von dem er bescheiden und in Würde leben kann.

Warum sollte es eingeführt werden?

Werner: Um jedem Menschen einen Freiraum zu geben, sein Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten, seine Talente ohne Existenzängste zu entfalten und um damit die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft zu entfesseln. Das Argument, Menschen wollten dann nicht mehr arbeiten, ist Unsinn, denn wer nicht will, tut es auch heute nicht.

Wo liegt der volkswirtschaftliche Nutzen?

Werner: Wenn Menschen arbeiten, weil sie wollen statt sollen und einen Sinn darin sehen, ändert sich das soziale Klima. Zudem können die Kosten menschlicher Arbeit nachhaltig gesenkt werden, ohne das verfügbare Einkommen zu schmälern.

Wie kann das BGE finanziert werden?

Werner: Jeder Bürger hat heute schon Einkommen, ob aus Erwerbsarbeit, Kapitalerträgen oder Sozialtransfers. Das BGE ist die verfassungsrechtliche Garantie eines Teils davon, wird aber nicht zusätzlich ausgezahlt, sondern ersetzt bestehende Leistungen, zum Beispiel Sozialtransfers. Damit ist es bereits finanziert, die Geldströme fließen schon. Zusätzlich aufzubringen ist nur die Differenz zum Grundeinkommen für die Menschen, die heute weniger haben als das.

Ist zu erwarten, dass Unternehmen die staatliche Grundsicherung zur Profitsteigerung ausnutzen?

Werner: Die Unternehmen werden die gesunkenen Lohnkosten in Form sinkender Preise weitergeben müssen, denn Marktwirtschaft bedeutet immer auch Preiswettbewerb. Sie müssten sich eher die Frage stellen, wie sie attraktive Arbeitsplätze schaffen, denn mit einem BGE hätten wir einen wirklichen Arbeitsmarkt, auf dem Arbeitnehmer auch "Nein" sagen können.

Wie kann Ihre Idee zum realen politischen Ziel werden?

Werner: Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Je mehr Menschen sie denken, umso mehr Politiker werden sie aufgreifen. Momentan verbreitet sich die Frage des Grundeinkommens durch die ganze Gesellschaft mit überraschenden Frontverläufen.

Wie stellen Sie sich die Einführung des BGE vor?

Werner: Schrittweise, zunächst für Kinder und Rentner. Für Kinder von der Geburt bis mindestens zum Ende der allgemeinen Schulpflicht - in einer Höhe, die sämtliche Kosten des täglichen Lebens abdeckt. Sie kann, orientiert an der Summe aus Kindergeld, Ausbildungsfreibeträgen oder ALG II zwischen 640 und 750 Euro liegen. Dafür entfallen alle Kinderkomponenten im Steuerrecht. Die Grundsicherung im Alter müsste auf eine vollständig steuerfinanzierte Grundrente umgestellt werden, die sich an der Alters- und Hinterlassenenversicherung der Schweiz von derzeit mindestens 680 bis 1360 Euro orientieren könnte.

Sie werden Ihre Idee am 8. September in Trier vorstellen. Was können Zuhörer aus dem Vortrag mit nach Hause nehmen?

Werner: Hoffentlich viele neue, weitere Fragen.

Der Vortrag ist heute um 20 Uhr im großen Saal der Tufa. Begleitend gibt es einen Workshop am Sonntag, 14. September, um 11 Uhr. Anmeldung unter Telefon 0651/718-2412.

Zur Person Götz Wolfgang Werner, 1944 in Heidelberg geboren, ist Gründer, Gesellschafter und Aufsichtsratsmitglied der dm-Drogeriemarkt-Kette. Seit Oktober 2003 leitet er das Interfakultative Institut für Entrepreneurship (Unternehmertum) an der Universität Karlsruhe, ist Präsident des EHI Retail Institute e.V. (EHI) und Aufsichtsratmitglied der GLS Gemeinschaftsbank. Werner ist bekennender Anthroposoph. Seine Unternehmens-Philosophie beruht auf den Prinzipien von Persönlichkeitsentwicklung, Vertrauen und Kreativität. Er erregte Aufsehen mit einem betont unautoritären, dialogischen Führungsstil bei dm und wurde mit Innovations- und Vorbildpreisen sowie dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Seit 2005 setzt er sich in Wort und Schrift öffentlich für seine Vision eines Bedingungslosen Grundeinkommens ein. (ae)

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