Leben vom Geistesblitz

TRIER. Mit der Verbindung von Kunst und Wissenschaft beschäftigt sich in diesem Jahr der Kultursommer Rheinland-Pfalz. Eines der ambitioniertesten und spannendsten Projekte heißt "SCHW!NG", wird von der Trierer Tufa organisiert und bietet von Mai bis September rund 30 außergewöhnliche Veranstaltungen.

Am Anfang läuten, wie sich das in Trier gehört, die Glocken. Aber so, wie es das noch nie gab. Die Glocken des Doms, der Gangolfskirche und der Basilika kommunizieren miteinander. Der eigens komponierte Glocken-Trialog unter dem Titel "Campanae trevirense" erlebt seine Uraufführung am Abend des 8.Mai, ergänzt durch ein Orgel- und Glockenkonzert im Dom. Das akustische Material, das bei dem Spektakel entsteht, dient wiederum als Grundlage für eine Klang-Installation, die der Saarbrücker Künstler Stephan Mathieu für die Basilika entwickelt. Und in der Saarburger Glockengießerei Mabilon spinnt Holzbildhauer Werner Müller mit seinem Zyklus "Hohlraumummantelung" das Thema weiter. Die Kombination verschiedener Kunstformen und -aktionen ist das Prinzip von "SCHW!NG". Der Klang, die Schwingungen, der Nachhall, die Resonanz: Für die Künstler-Projektgruppe aus dem Tufa-Umfeld, die die Veranstaltungsreihe seit zwei Jahren ausgebrütet hat, gehört das alles zusammen. So wie Kunst und Wissenschaft, die "letztlich beide vom Geistesblitz leben", wie Mit-Organisator Markus Bydolek sagt. In verschiedenen Versuchs-Anordnungen soll ausprobiert werden, "ob sich Kunst und Wissenschaft gegenseitig befruchten können". Mal geht es dabei eher beschwingt zu, mal schwingt sich die Reihe zu intellektuellen Höhenflügen auf. Zum Beispiel, wenn der Leipziger Pianist Franns Promnitz am 21. Juli in der Tufa Bachs "Kunst der Fuge" in einer spiegelverkehrten Version spielt. Das "d", der Anfangston des Werkes, bildet die Spiegel-Ebene. Alle Noten werden gespiegelt, aus d-moll wird G-dur - nur Bach bleibt Bach. Was der Künstler durch den unmittelbaren Vergleich mit dem Original belegt. Als Nachhall beschäftigt sich am 26. Juli der Trierer Mathematik-Professor Volker Schulz mit der "Geometrie der Töne". Das "Liquid Penguin Ensemble" geht mit einer Performance zu dem unter Physik-Schülern berühmt-berüchtigten quantentechnischen Experiment "Schrödingers Katze" auf Tour (27. Mai Burg Dudeldorf; 28. Mai Glockengießerei Mabilon in Saarburg; 2./10. Juni Tufa). Musiker, Schauspieler und Wissenschaftler untersuchen "verschmierte Zustände", in denen "Entweder-oder-Denken" nicht mehr funktioniert. Selbst für Nicht-Physiker leicht zu erfassen ist das "Laterna-Magica"-Gastspiel, das die Tufa am 3. Juni in ein romantisches Lichtspielhaus verwandelt. Auch Jens Försters neues Chanson-Programm "Paarhufer sind niemals allein" (17./18. September Tufa, weitere Termine in der Region) bleibt beim Generalthema von "SCHW!NG", greift es doch Ansätze der Sozial- und Biopsychologie auf.Bundesweites Medieninteresse erwartet

Zum Finale am 2. September steigt der aufwändigste Teil des Projekts. Ein komplettes Hochhaus in Mariahof soll in eine musikalische "Sozioperformance" verwandelt werden, mit 30 Profi-Musikern, Chören, Musikvereinen - und der Leiendecker Bloas. Der Duisburger Komponist Gerhard Stäbler hat die Leitung, die Bewohner können vom Balkon aus mitwirken. Die Veranstalter erwarten bundesweites Medien-Interesse. Auf der "SCHW!NG"-Agenda stehen weitere Ausstellungen, Vorträge, sogar Kabarett. Allerdings, wie Tufa-Chefin Gisela Sauer betont, "nur so weit Geld da ist". 120 000 Euro kostet die Reihe, und trotz großen Engagements des Kultursommers, der Sparkassen-Stiftung und des Fonds "Soziokultur" sind längst nicht alle Lücken geschlossen. Weil man die Eintrittspreise erschwinglich halten will, soll sich die avantgardistische Kultur selbst vermarkten, zum Beispiel durch den Verkauf symbolträchtiger "SCHW!NG"-Holz-Kreisel. Ab Mai informiert die Website www.schwing-festival.de über das Programm.

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