Legenden sind nicht tot zu kriegen

TRIER. Abba macht's möglich: Nach "Mama Mia" und "Abbamania" gab es mit "Abba - The Show" das dritte Revivalkonzert in Trier innerhalb eines Jahres - und zum dritten Mal lockte die schwedische Legende Tausende von Zuschauern an.

Es hat schon Konzerte gegeben, die verheißungsvoller begannen. Das angekündigte große Sinfonie-Orchester entpuppt sich als kammermusikalisches Sextett - vielleicht ist der Rest der Truppe im Park-Chaos zwischen Arena, Hela und Ratio hängen geblieben. Die Verbliebenen fiedeln so zittrig zum Intro von "Arrival", dass man sich wünscht, der soeben akustisch gelandete Hubschrauber möge sogleich wieder möglichst lautstark abheben. Der Dirigent erzählt mit salbungsvoller Stimme vom "historischen Moment für die Menschheit", als Abba gegründet wurde. Das Versprechen, die Akteure glichen den Originalen wie ein Ei dem anderen, lässt sich zumindest bezüglich "Annafrids" Konfektionsgröße widerlegen. Und als dann auch noch der mit viel Tamtam annoncierte "Original-Abba-Saxophonist" Uffe Andersson sein erstes Solo mit der Agilität eines Alleinunterhalters beim Seniorenkränzchen absolviert, gibt man kaum mehr einen Pfifferling für den Abend. Meinen Hintermann freilich ficht der mäßige Beginn nicht an. "Suuuper-Saxophonist", schwärmt er lautstark. Sollte ich je Gefahr laufen, einen der vielen Hits im Programm zu überhören, sorgt er bei jedem bekannteren Titel mit kraftvollen Tritten gegen meine Rückenlehne dafür, dass ich wieder aufmerksam werde. Und siehe da: Die Aufmerksamkeit lohnt sich. Denn nach zwei, drei Titeln Einspielzeit bessert sich der Sound merklich. Die Arrangements haben Schmiss, und vor allem sind sie keine einfallslose Kopie, sondern ergänzen die Originaltitel mit gekonnten Einstiegen, kleinen Zwischenspielen und orchestriertem Finale. Wohltuend, dass wirklich live gespielt wird. Keine perfekten Samples aus dem Computer, statt dessen sogar Raum für die eine oder andere Improvisation. Da nimmt man gerne in Kauf, dass bei "Mama Mia" schon mal die falsche Tonart angeschlagen wird. Enthusiastische Fans starten Polonaise

Wenn Uffe Andersson bei "Fernando" live die Flöte mitspielt, läuft ein erster wohliger Schauer über den Rücken. Mats Ronander kommt auf die Bühne, noch ein Veteran aus der "echten" Abba-Band, und knallt ein fetziges Rock-Intro zu "Knowing me knowing you" in die Arena. Beide Sängerinnen haben inzwischen aus der Abba-Kleiderkollektion die vorteilhafteren Modelle ausgesucht, die 2600 Zuschauer im Saal stehen zum ersten Mal auf. Die Flexibilität der Arena zahlt sich aus: Weil die Bühne diesmal auf der "Geraden" steht, sitzt keiner all zu weit vom Geschehen weg. Zur Pause ist die Erwartungshaltung nach desolatem Beginn schon wieder kräftig gestiegen. Das Programm bietet bis auf "Lay all your love on me" und "One of us" alle einschlägigen Hits. Aber es beschert dankenswerterweise auch ein Wiederhören mit rareren Titeln wie "Tiger", "As good as new" oder "He is your brother". Bei "Eagle" nutzt man alle Möglichkeiten der Streicher, bei "Summer Night City" traut man sich endlich eine ganz eigenständige Interpretation zu. Mein Hintermann ist inzwischen vom Pfeifen zum lautstarken Mitsingen übergegangen, was den Genuss von "Chiquitita" leicht beeinträchtigt. Vor der Bühne starten enthusiastische Fans unter den etwas irritierten Blicken der Band eine Polonaise. Bei "Gimme-gimme-gimme" lässt Saxophonist Uffe Andersson richtig die Sau raus, und in Gedanken muss ich meinem Hintermann in seiner Einschätzung der Qualitäten des Abba-Urgesteins zähneknirschend Recht geben. Die Spiellust auf der Bühne macht auch im Saal Laune, Annafrid, von der nicht einmal das Programmheft verrät, wie sie in Wirklichkeit heißt, zeigt mit "The Winner takes it all", dass sie tatsächlich Stimme hat. Die Ansagen von Dirigent Matthew Freeman hat man drastisch reduziert, das schafft Zeit für einen rührenden Auftritt des Gutweiler Kinderchors, der "I have a dream" mitgestaltet und zum Finale bei einer flotten Version von "Thank you for the music" assistiert. Sogar mein Hintermann lauscht so andächtig, dass er das Pfeifen, Singen oder Taktschlagen wohl einfach vergessen hat.

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