Lemmy gibt Gas

TRIER. "Ein Motorrad, eine Planierraupe und ein Auto krachen frontal ineinander. Die dabei entstehenden Geräusche zieht man eine Terz tiefer und dann wieder hoch. Der Motorradfahrer bleibt unverletzt" – so würde Lemmy Kilmister laut eigener Aussage einem Gehörlosen den Sound von Motörhead erklären. Die unfassbare Wucht dieses Sounds erschütterte Tausende in der Messeparkhalle.

 Der wahrscheinlich lauteste 60-Jährige der Musikgeschichte: Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister. TV-Foto: Hans-Peter Linz

Der wahrscheinlich lauteste 60-Jährige der Musikgeschichte: Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister. TV-Foto: Hans-Peter Linz

Wenn die ehrwürdige Römer- und Bischofsstadt Trier sprechen könnte und den Wunsch hätte, sich zu dem in ihr stattfindenden Kulturprogramm zu äußern, wäre jetzt wohl ein cholerischer Anfall fällig, der die Porta zum Wanken brächte. "Was soll das denn bitte?", würde Trier fragen. Zuerst schickt ihr mir Katie Melua, eine Elfe mit einer Engelsstimme, und genau zwei Tage später lasst ihr zu, dass ein bourbongetränkter Engländer und seine zwei Spießgesellen ein alle Trommelfelle vergewaltigendes akustisches Inferno veranstalten, gegen das die Posaunen von Jericho wie ein Glöckchen (oder auch wie ein Katie-Melua-Song) klingen. Motörhead klingen in der Tat wie 50 000 Griechen beim Angriff auf Trojas Festungsmauern. So wie immer schon. Auch wenn Sänger und Bassist Lemmy Kilmister an Heiligabend 61 wird, hat sich - zum Glück - nichts verändert. Er kommt auf die Bühne, knurrt "We are Motörhead", legt auf die für ihn typische Weise den Kopf leicht in den Nacken in Richtung des schräg über ihm hängenden Mikros und beginnt damit, seinen Bass zu malträtieren. Schon nach zwei Sekunden von "Dr. Rock" kann die durch jahre- und jahrzehntelangen Hardrock- und Heavy-Metal-Konsum gestählte Meute im Messepark sicher sein, dass Motörhead weiterhin zu den wenigen Ausnahmeerscheinungen im Business gehört, die sich nicht im Mindesten um Marktbewegungen, Trends und Anpassungen kümmern müssen.Ständiger Donner, endlose Intensität

Seit 30 Jahren spielen Lemmy und Co. kompromisslosen und schnellen Heavy-Rock'n'Roll. Der Bass ist ein ständiges donnerndes Rollen, Lemmy brüllt und gröhlt seine Texte immer noch mit endlos scheinender Intensität. "Iron Fist", "Sacrifice" und Stücke des neuen Albums "Kiss of Death" werden ins Publikum gehämmert. Auch Lemmys Bandkollegen sind in Form. Phil Campell an der Gitarre und Schlagzeuger Mikkey Dee, dessen Mähne im Scheinwerferlicht an den Berserker "Das Tier" aus der Muppet-Show erinnert, sind nicht weniger authentisch als ihr Frontmann. Wir sind zwar älter geworden, aber noch haben wir jede Menge Kraft - das ist Motörheads Botschaft an eine Fangemeinde, die darunter leidet, das langsame Altern der großen Idole aus dem Zeitalter des echten Hardrocks und Heavy Metals miterleben zu müssen. Die Botschaft der Fans ist eindeutig: Macht weiter so! Als Motörheads größter Erfolg "Ace of Spades", eine der ewigen Hymnen der etwas lauteren Musik, als erste Zugabe kommt, bebt der Messepark.

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