Lieben, nicht hassen

TRIER.(er) Zum achten Mal "berührten" sich Universität und Antikenfestspiele beim Symposion. "Antigone - Lysistrata" lautete der Titel.

"Mit Sophokles‘ ,Antigone‘ fing alles an", sagt Hellmut Flashar. Soll heißen: Erstmals betritt eine Frau als Hauptdarstellerin die Bühne der griechischen Tragödie. Und mehr noch: Mit ihrem berühmten Bekenntnis, "nicht mitzuhassen, mitzulieben ist mein Wesen", wird erstmals Menschlichkeit über Staatsräson und -gewalt gestellt. Einmal mehr ist Flashar, der renommierte Klassische Philologe aus München nach Trier gekommen, um beim achten Antikensymposion den Zuhörern des gut besetzten Audimax der Universität über die gleichnamige Tragödie des antiken Autors (496-406 v. Chr.) zu berichten. Zusammen mit der Komödie "Lysistrate" von Sophokles‘ Zeitgenossen Aristophanes (um 445-386 v. Chr.) steht das antike Drama im Mittelpunkt der Antikenfestspiele. Antigone, die Frau, die lebend eingemauert wird, weil sie unerschrocken darauf besteht, was später als "die Würde des Menschen ist unantastbar" modernes Grundgesetz wird, gehört heute zur unangefochtenen Weltliteratur. So richtig geschätzt wurden die antike Heldin und ihr Autor allerdings hierzulande erst seit dem 19. Jahrhundert. Unter dem Eindruck der französischen Revolution "wurde die Tragödie zum ersten Mal seit Sophokles wieder richtig ernst genommen" (Flashar). Eigentlich war es erst Friedrich Hölderlin, der mit seiner "Antigonae" die Tragödie neu belebte. Die Nachschöpfung des Romantikers diente auch Carl Orff für seine Oper als Textvorlage. So recht mag sich der Philologe auch nicht mit Hölderlins Übersetzung anfreunden, die ihm stellenweise falsch und unverständlich erscheint. Eben dieser Kritik widerspricht Thomas Rösch. Der Münchner Musikwissenschaftler verweist darauf, dass Hölderlins Werk keine Übersetzung sondern eine Eigenschöpfung sei, auf deren rhythmische und klangliche Gestalt Carl Orff mit einer entsprechenden Tonschöpfung reagierte. Aristophanes‘ Komödie "Lysistrate" sei ganz sicher ein Stück, in dem den Männern ihre Unfähigkeit zu vernünftigem Handeln nachgewiesen werde, meint Bernhard Zimmermann aus Freiburg. Und weil der schlitzohrige Aristophanes genau wusste, wo seine Geschlechtsgenossen am verletzlichsten waren - nämlich beim Geld und am Unterleib - ließ er die Damen um Lysistrate den Staatsschatz beschlagnahmen und in Sex-Streik treten. Ein feministisches Stück ist die Komödie dennoch nicht - eher ein Männertraum - meint auch Publizistin Katharina Rutschky aus Berlin, die sich als mutige Mahnerin gegen feministische Verbissenheit einen Namen gemacht hat. Übrigens: Die Künstler Gail Gilmore, Peter Svensson und Peter Koppelkamm sowie ihr Kollege Peter Singer stimmten mit dramatischen Einlagen eindrucksvoll in die Problematik des Abends ein. Gedankt wird auch dem scheidenden Intendanten Heinz Lukas-Kindermann. Hartmut Köhler, langjähriger Organisator des Symposions, überreicht ihm eine Torte in Form der Kaiserthermen, in die er bei Bedarf "auch mal die Zähne schlagen kann". Am selben Abend liest René Kollo im Stadttheater aus seiner Biografie. Selbstverständlich gehört auch diese Veranstaltung zu den Antikenfestpielen. Der Tenor gehört seit Jahren zum (fast) ständigen Gast des Festivals.

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