Lorin Maazels nachtschwarzer Mahler

LUXEMBURG. Jubel über Jubel im großen Saal der Luxemburger Philharmonie. Die New Yorker Philharmoniker hatten unter ihrem Chefdirigenten Lorin Maazel Gustav Mahlers fünfte Sinfonie gespielt – streng, wuchtig, schlichtweg bezwingend.

Dieser Anfang hatte nichts Vorläufiges. Das schicksalhafte Trauermarsch-Motiv der Trompete und dann das volle Orchester, wuchtig, gewaltig, düster auftrumpfend. Musik, nachtschwarz, und von grimmiger Entschlossenheit. Lorin Maazel und die New Yorker Philharmoniker sind von Beginn an mittendrin in der tragischen Emphase von Mahlers fünfter Sinfonie, im Schicksalhaften dieser Musik und versetzten die Hörer in eine andere Welt. Schade, dass der erste Teil dieses großartigen Abends in der Luxemburger Philharmonie missglückt war. Schade, dass Maazel und die New Yorker bei "Tod und Verklärung" von Richard Strauss über eine pauschale, lärmende Wiedergabe nicht hinauskamen. Denn schon hier zeigte sich in Ansätzen, was nach der Pause bei Mahler so bestach: Die Fähigkeit von Dirigent und Orchester zu großen, ausholenden Bögen, zu echter Weiträumigkeit. Wie faszinierend, nach all dem Profillosen zuvor, klang die Coda der sinfonischen Dichtung, die Richard Strauss als junger Mensch schrieb und später in seinen "letzten Liedern" zitierte: aus leisen, vorsichtigen Ansätzen ein herrlicher Höhepunkt - nicht eng und schrill, sondern weit und wuchtig. Und dann der Mahler. Der erste Satz: verhalten, laut klagend, streng und schwer. Unter den Händen von Lorin Maazel entwickelt diese Musik eine ungeahnte dunkle, gleichsam abgeblendete Kraft. Maazels Mahler-Klang öffnete sich erst im Finale zu einem optimistischen, großflächigen Tableau. Auch das Helldunkel in dieser Sinfonie, die Zwischentöne, die obskuren Beiklänge, das nicht ganz Geheure - all das entfaltete sich erst allmählich. Aber dann war es da: Ein Scherzo, dessen Dreivierteltakt klingt wie eine Parodie alles Wienerischen und in dem das Solohorn künstlerische Wunderdinge vollführt. Ein Adagietto voll von tiefem, unklischiertem Empfindungsreichtum, straff geführt und doch lyrisch ausschwingend. Und das Finale - vielleicht ein wenig zu blechlastig am hymnischen Schluss, vielleicht in den Fugati ohne die letzte Präzision und in den Streicher-Höhen ohne die letzte Kultur. Aber wunderbar stimmig, konsequent, ja bezwingend. Bis zum D-Dur-Höhepunkt am Schluss eine Interpretation aus einem Atem, aus einem Guss. Am Ende brach im Publikum helle Begeisterung aus. Auch etliche Trierer waren dabei, unter ihnen Oberbürgermeister Helmut Schröer. Und als Dreingabe spielten die New Yorker Wagners Vorspiel zum dritten Akt des "Lohengrin".

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