Mäntel zum Begehen

Mäntel, die mehr als Mäntel sind: "Erinnerungsmäntel" erzählen bei Heilig-Rock-Tagen in Trier Lebensgeschichten. Die Ausstellung "Belonging and Beyond" zeigt außergewöhnliche Skulpturen im Dom.

 Aus Mänteln wird eine Skulptur. TV-Foto: Friedemann Vetter

Aus Mänteln wird eine Skulptur. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. (red) "Belonging and Beyond" lässt sich wohl am besten übersetzen mit "Dazu gehörig und Darüber hinausgehend". Unter diesem Titel wurde zum Auftakt der Heilig-Rock-Tage im Trierer Dom eine nicht alltägliche Ausstellung eröffnet. "Belonging and Beyond" - das sind zwei begehbare Skulpturen, die aus über 300 Mänteln zusammengenäht wurden. Das Besondere: die Mäntel erzählen die Geschichten der Menschen, die sie einst getragen haben. Baumwolle und Leder, Polyester und Cashmere, Pelz und Leinen, gemustert und gestreift, einfach nur alle Materialien, Farben und Formen, die man sich für Mäntel vorstellen kann. So vielfältig wie die äußere Gestalt sind auch die Geschichten, die die "Erinnerungsmäntel" in sich tragen. Da ist der graue Kunststoffmantel von Vera Campbell. Er erzählt die Geschichte der Katastrophe im Hillsborough-Stadion von Sheffield, wo bei einem Tribünen-Unglück 1989 an die 100 Menschen ums Leben kamen. . "Symbol für die Identität des Menschen"

Vera Campbell und ihre Angehörigen überlebten. Oder der graue Wollmantel, dessen Besitzer nur preisgibt, dass der Mantel ein Geheimnis berge, das er nun, wo er ihn verlasse, mit sich nehme. Mal sind es knappe Notizen und mal ausschweifende Liebeserklärungen, die sich in den Mänteln findenManche Geschichten sind fröhlich, andere traurig, manche abenteuerlich, andere romantisch. Für die beiden Künstlerinnen Lin Holland und Veronika Moos-Brochhagen ist der Mantel "Symbol für die Identität des Menschen". Der eigene, individuelle Mantel, so betonen die Künstlerinnen, sei "ein vertrauter Begleiter, geprägt von ideeller Wertigkeit, von seiner eigenen Geschichte und Zugehörigkeit, von der oft nur sein Besitzer weiß." Die beiden Künstlerinnen haben Menschen aus Liverpool und Köln gebeten, ihre alten, abgetragenen Mäntel und die damit verbundenen Geschichten und Erinnerungen zu stiften. Zusammengenäht entstanden so die beiden Skulpturen: ein begehbarer Mantel und ein Turm. Geschichten und Erinnerungen lesen

"Beide Skulpturen erzählen im Inneren die Geschichten der Einzelnen und öffnen einen erfahrbaren, kommunikativen Raum, der über das Einzelne hinausführt", erläutern die Künstlerinnen. Im Inneren können die Besucher den erzählten Geschichten lauschen und in die Taschen der Mäntel greifen, um die eingebundenen, aufgeschriebenen Erinnerungen zu lesen. Und was haben diese "Erinnerungsmäntel" mit den Heilig-Rock-Tagen und dem Heiligen Rock zu tun? Der Trierer Domvikar Monsignore Stephan Wahl erläutert die Zusammenhänge: "Der Heilige Rock hilft dabei, die größte Lebensgeschichte des Universums zu erzählen. Er ist Hinweis und Zeichen, dass Gott in Jesus Christus wirklich Mensch geworden ist, Mensch wie wir, mit allem Drum und Dran, angewiesen auf alles, was zum Menschsein gehört - auch auf Kleidung." Der Heilige Rock sei auch ein Symbol für die unbekannten Begegnungen Jesu mit den Menschen, die niemand beschrieben habe. "Kein Wunder, dass die frühen Christen dieses Gewand bewahrt haben - nicht, um den Stoff zu verehren, sondern um sozusagen mit allen Sinnen dem näher zu sein, der dieses Gewand trug. Das ist keine Sache des Verstandes, sondern des Herzens", betont Wahl. Die "Erinnerungsmäntel" sind über die Heilig-Rock-Tage hinaus bis Ende Mai im Trierer Dom zu besichtigen, zu begehen und zu erleben.

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