Männer sind Mangelware

TRIER. Ohne sie wären die meisten Musiktheater-Produktionen nur die Hälfte wert: Die Damen und Herren vom Extra-Chor sind bei Oper, Operette und Musical oft mit von der Partie. Die Rollen-Verkleidung ist eine spannende Abwechslung vom normalen Berufs-Alltag.

Kann man das Wort "Sojabohne" singen? Und ob. Ein dutzend Mal lässt Norbert Schmitz die im Theater-Studio versammelte Chor-Truppe den Begriff aus der Botanik klangvoll intonieren. Die "Sojabohne" ist geradezu ideal, enthält sie doch nicht nur Vitamine, sondern auch eine große Auswahl unterschiedlicher Vokale und Konsonanten und eignet sich daher optimal für das stimmliche Aufwärm-Training.Mindestens zehn kann Schmitz noch brauchen

40 Leute sitzen sorgsam aufgereiht auf den Stufen gegenüber dem Keyboard von Norbert Schmitz. Der Chor-Direktor, dessen rheinische Frohnatur sich schon rein sprachlich nicht überhören lässt, stachelt den Ehrgeiz seiner Schützlinge an: "Sie holen die Profis noch ein", sagt er aufmunternd. Die Profis, das sind die 20 Berufs-Chorsänger des Trierer Hauses. Sie formen den Kern bei den Produktionen des Musiktheaters, aber oft brauchen sie die Verstärkung des Extra-Chors. Dieser lockere Zusammenschluss von Laien springt von Fall zu Fall in unterschiedlicher Zusammensetzung bei den Projekten ein. Diesmal spielt der Extra-Chor eine besonders gewichtige Rolle. Für die Antikenfestspiel-Oper "Samson und Dalila" braucht es 80 Männer und Frauen, schließlich ist das monumentale Amphitheater zu bespielen. Aber die "Akquise" von Sängern ist gar nicht so einfach, haben doch die anderen Trierer Chöre, aus denen sich oft spontane Mit-Spieler rekrutieren, im Kulturhauptstadtjahr ihre eigenen, aufwändigen Produktionen. Vor allem Herren der Schöpfung sind Mangelware. "Mindestens zehn" kann Norbert Schmitz noch brauchen. Der Frauen-Überschuss ist ein Phänomen, das den Chor-Gesang vom Kinderensemble bis zum Kirchenchor begleitet. Dabei sind es gerade Männerstimmen, die am ehesten den Karriere-Sprung vom Extra-Chor zum Berufssänger schaffen. Monika Hecken und Theresia Friedrich können auf Anhieb ein halbes Dutzend Trierer Beispiele nennen - kein Wunder, sind sie doch seit fast drei Jahrzehnten dabei. "Es ist toll, zu erleben, wie eine Produktion entsteht", sagt Friedrich, im Hauptberuf Abteilungsleiterin in einem Warenhaus. Sie ist ohnehin ein ausgesprochener Opern-Fan. Dass man, anders als in anderen Chören, neben dem Beherrschen der Noten und des Textes auch noch schauspielern muss, schreckt niemanden ab, im Gegenteil: "Das ist es doch gerade, was Spaß macht", lacht Susanne Schulze. Die Sächsin absolviert gerade in Bitburg ein freiwilliges soziales Jahr und gehört zu den erstaunlich vielen jungen Gesichtern im Extra-Chor. "Wir müssen viel auswendig lernen", ergänzt Monika Hecken.An der Genauigkeit arbeiten sie ständig

Und das oft in Sprachen, die man nicht versteht. Französisch etwa. Da besteht die Gefahr, dass am Ende alles wie "Sojabohne" klingt. Chorsprecher Hendrik Wisbar hat eine Übersetzung organisiert, damit jeder auch weiß, wovon er da eigentlich singt. "Ich hab' mir den ganzen Text in Lautschrift notiert", sagt ein Tenor aus der hinteren Reihe, der vom Stimmvolumen her für die Hauptrolle in Frage käme, aber noch an der Genauigkeit der Intonation arbeiten muss. An der Genauigkeit arbeitet auch Norbert Schmitz - noch in getrennten Formationen, aber bald mit beiden Chören zusammen. Drei Monate dauern die Probenzeiten, zwei bis drei Abende in der Woche fallen für die "Amateure" an. Da braucht man schon Ausdauer. "Ich versuche, die Sache so zu gestalten, dass sie auch Spaß macht", sagt der Dirigent. Diesmal ganz besonders. Denn für ihn, der das Haus verlässt, ist es die letzte große Produktion in Trier. Kurzentschlossene können noch zusteigen. Probe heute, Donnerstag um 19 Uhr. Infos bei Norbert Schmitz, 0176/23596288.

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