Mars-Männer und Venus-Frauen

LUXEMBURG. Eine "Minna von Barnhelm" mit illustren Darstellern bietet das Théâtre National in Luxemburg. Hausherr Frank Hoffmann hat Lessings Drama gehörig gegen den Strich gebürstet. Der Staub ist weg, die Substanz geblieben.

Eigentlich merkwürdig. Ganze 130 Plätze fasst das neue Nationaltheater - jedenfalls so, wie es für "Minna von Barnhelm" eingerichtet ist. Aber selbst davon ist bei der Premiere nur die Hälfte besetzt, Journalisten und Gäste eingerechnet. Dabei ist das Stück populär, der Regisseur etabliert und die Besetzung umwerfend unkonventionell. Dominique Horwitz als Major von Tellheim: Kein altväterlich-stolzer Kriegsheld, sondern ein an Leib und Seele versehrter, vom Kriegshandwerk verrohter, mit Alkohol seine Bitterkeit betäubender Ex-Soldat. Burgtheater-Star Julia von Sell: eine souveräne, selbstbewusste Minna. Dazu das Luxemburger Urvieh Thierry van Werveke, eine Traum-Besetzung für den bärbeißigen Diener Just, und mit Marco Lorenzini eine weitere luxemburgische Schauspieler-Legende. Selbst für die kleine Rolle des Gauners Riccaud leistet man sich mit David Bennent (unvergessen: "Die Blechtrommel") einen begnadeten "Comédien". Kurzum: Alleine die Besetzung würde andernorts dazu führen, dass das Publikum die Bude stürmt. Aber Luxemburg ist klein, und das Kulturangebot mörderisch groß. Da kann es schon mal passieren, dass eine hoch karätige Premiere so wirkt wie anderswo eine Generalprobe im Wohnzimmer - bis hin zur nicht ganz pannenfreien Technik. Das alles wird aber Makulatur angesichts des packenden Zugriffs, den Frank Hoffmanns Regie entwickelt. Minna von Barnhelm, das tausendfach totgerittene Schlachtross der deutschen Komödie, lebt auf, wenn Hoffmann die Konturen schärft, die Konflikte ausspielt und die Nerven bloßlegt. Wie kann Liebe funktionieren zwischen einem, dessen Lebensinhalt der Krieg ist, und einer, die das Elend dieses Handwerks nicht einmal ahnt? Wie sollen zwei Leute unter einen Hut kommen, von denen die eine pragmatisch und wagemutig ist, und der andere vergangenheitsfixiert und absurden Ehrbegriffen ausgeliefert? Dass Männer vom Mars und Frauen von der Venus kommen, ist keine Entdeckung des 21. Jahrhunderts. Der olle Lessing hat das auch schon gewusst. Die Luxemburger Minna ist der Beweis.Die Inszenierung hat auch groteske Züge

Das klingt alles furchtbar ernst, ist es auch. Aber Hoffmanns Inszenierung hat auch ihre grotesken Züge, und vor allem: Sie macht sich augenzwinkernd über sich selbst, aber auch über das Stück lustig, ohne den inhaltlichen Kern zu verraten. Die Nebenfiguren, allen voran die wunderbar quirlige Wicki Kalaitzi als Kammerjungfer Franziska, verhindern, dass das Lustspiel zum Psycho-Drama wird. Ben Willikens' intelligentes Bühnenbild siedelt die Handlung anfangs in den stilisierten Ruinen des 2. Weltkriegs an und lässt sie dann von Akt zu Akt ein Jahrzehnt weiter Richtung 2000 wandern, unterstützt durch die Einordnung erleichternde Accessoires und eine pfiffige Musikauswahl. Die Zuschauer zeigten sich beeindruckt - es könnten ruhig mehr werden. Auch für Theaterfans aus der Region Trier bietet ein Besuch die ideale Möglichkeit, das TNL kennen zu lernen. Vorstellungen: 14. bis 16. November; 2. bis 4. Dezember; 18. bis 21. Januar. Info/Anfahrthinweis: www.tnl.lu Tickets: 00352/4708951

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