"Meine Vorfahren waren Sklaven"

Wittlich · Die amerikanische Sopranistin spricht im TV-Interview über Barockmusik, Gospel und Sklaverei.

 Auf musikalischer Suche nach ihren Wurzeln: Opernsängerin Christina Clark singt Jazz und Gospel. Foto: Veranstalter

Auf musikalischer Suche nach ihren Wurzeln: Opernsängerin Christina Clark singt Jazz und Gospel. Foto: Veranstalter

Foto: Eva-Maria Reuther (er) ("TV-Upload Reuther"

Wittlich Mit ihrem Spiritual- und Gospel-Konzert "Over my head I hear music" tritt die amerikanische Sopranistin Christina Clark am Sonntag, 3. September, im Rahmen des Mosel Musikfestivals in der Wittlicher Synagoge auf. Zu den Gesängen, in denen sich Leid und Hoffnung der versklavten afrikanischen Bevölkerung ausdrücken, trägt die Sängerin Texte zum Thema vor. Begleitet wird sie am Klavier vom Jazz-Pianisten Pascal Schweren. Mit dem Trierischen Volksfreund sprach die Opernsängerin mit den afrikanischen Vorfahren über ihre Leidenschaft für die Opernbühne und das persönliche Anliegen ihres Konzerts.Mosel Musikfestival

Wie kamen Sie zum Gesang?Christina Clark Als ich fünf Jahre war, haben mich meine Eltern gefragt, was ich einmal werden wolle. Ich habe geantwortet, sie müssten mich unbedingt nach Los Angeles bringen, weil ich ein Musical-Star werden wollte. Jedenfalls wollte ich schon als kleines Kind auf die Bühne. Mit fünf Jahren habe ich dann auch angefangen, Klavier zu spielen und schon damals immer gesungen. Als Teenager wollte ich dann Gesangsunterricht nehmen. Als meine Mutter merkte, dass es mir wirklich ernst damit war, habe ich eine Gesangslehrerin bekommen. So fing alles an.Was reizt Sie heute, allabendlich als Opernsängerin auf der Bühne zu stehen?Clark Ich liebe die Bühne, weil sie so ein Gesamtkunstwerk ist. Ich liebe natürlich den Gesang, aber ich mag auch wahnsinnig gern das Spiel. Ich finde, auf der Opernbühne sind beide gleich wichtig. Ich halte den Gesang nicht für wichtiger als das Spiel. Viele Sänger mögen das anders sehen, aber für mich sind beide gleichwertig. Auch der Zuschauer hat ein viel eindringlicheres Erlebnis, wenn Gesang und Spiel gleichbedeutend sind.Ihre Kollegin Jessye Norman hat einmal gesagt: "Man muss die Musik aus dem Körper befreien". Tun Sie das auch, wenn Sie singen? Hören Sie in sich hinein?Clark Das ist sehr schön gesagt von Frau Norman. Ja, auch ich versuche an das Publikum weiterzugeben, was in mir ist.Die Stimme ist als Ihr Instrument untrennbar mit Ihrem Körper und Ihrer Seele verbunden. Engagieren Sie sich seelisch sehr, wenn Sie singen?Clark Definitiv. Man gibt immer sehr viel von sich preis, wenn man singt.In Ihrem Repertoire als Sopranistin spielen Mozart und Händel eine besondere Rolle. Weshalb?Clark Ich bin ein leichter Sopran. Es gibt sehr viele Rollen bei Mozart und auch in der Barockmusik für meine Stimme. Zudem mag ich bei Mozart auch die Charaktere der Rollen sehr, die ich dort spielen darf, wie etwa die Susanna aus "Figaros Hochzeit" oder die Zerlina aus "Don Giovanni". Das sind sozusagen immer die geheimen Strippenzieherinnen. Das reizt mich sehr.Und die Klangästhetik?Clark Die ist für mich natürlich auch sehr reizvoll, bei Mozart wie bei Händel. An der Barockmusik liebe ich besonders, dass sie so wahnsinnig farbenreich ist und dass man bei diesem Farbenreichtum auch viele Möglichkeiten mit der Stimme hat.Sie sind vielseitig. Sie singen auch Jazz. Hier in der Wittlicher Synagoge geben Sie jetzt ein Konzert mit Gospels und Spirituals. Welche Anforderungen stellt das an Ihre Stimme?Clark Ich bin natürlich weder Jazz- noch Gospelsängerin. Ich bin Opernsängerin. Aber ich liebe an meiner Arbeit, dass ich so viele verschiedene Sachen machen kann. Natürlich muss ich, wenn ich Jazz singe, meine Stimme etwas verändern. Dann singe ich in einer ganz anderen Lage, als wenn ich Opern singe. Und wenn ich in ein Mikrofon singe, kann ich mit meiner Stimme auch ganz anders umgehen als auf der Bühne. Das Wichtigste ist aber, wenn man Gospels und Spirituals singt, dass man sie mit Herz und Seele singt.In Ihrem Konzert tragen Sie auch Texte vor. Wie kam es zu diesem literarisch-musikalischen Projekt?Clark Die Bitte, ein Konzert mit Spirituals und Gospels zu singen, ist immer wieder an mich herangetragen worden. Aber mein Schwerpunkt ist natürlich die Oper. Vor fünf oder sechs Jahren habe ich noch einmal so eine Anfrage bekommen. Und da dachte ich, jetzt habe ich Lust dazu, aber ich möchte es dann auf meine Art machen. Ich möchte nicht nur ein Konzert mit Gospels und Spirituals geben, sondern auch mit Informationen und Geschichten über diese Musik. So ist das Programm entstanden.Gospels und Spirituals sind geistliche Gesänge, die aus der afro-amerikanischen Musiktradition entstanden sind. Haben Sie das Gefühl zu Ihren Wurzeln zurückzukehren, wenn Sie solche Lieder singen?Clark Ganz sicher. Das ist eine Musik mit der ich aufgewachsen bin und die ich aus meiner Kindheit kenne. Spirituals habe ich im Gottesdienst sehr oft gehört und auch selbst gesungen, als ich im Kirchenchor mit Gesang angefangen habe.Haben Sie sich in dem Zusammenhang auch mit der Geschichte der schwarzen Bevölkerung Amerikas auseinandergesetzt?Clark Als ich das Programm vorbereitet habe, habe ich mich intensiv mit der Geschichte dieser Musik beschäftigt, mit ihren Ursprüngen und wie sie entstanden ist. Man weiß ja, dass sie aus der Sklaverei kommt. Aber das wird einem noch viel klarer, wenn man aus solch einem Anlass anfängt zu recherchieren. Die Vorbereitung auf dieses Konzert war für mich eine wahnsinnig interessante Zeit. Da wird Musik dann auch identitätsstiftend. Ich selbst weiß wenig über den Stammbaum meiner Familie. Die versklavten Familien wurden ja oft auseinandergerissen. Da gibt es auch keine Aufzeichnungen. Man hat bewusst versucht, die schwarze Bevölkerung anonym und machtlos zu halten. Aber ich weiß eben, dass meine Vorfahren Sklaven waren. Und deshalb ist das Konzert für mich eine sehr persönliche Sache und ganz nah an meinem Herzen.Toni Morrison, die schwarze Literaturnobelpreisträgerin, hat geschrieben: "Das Wasser hat eine perfekte Erinnerung und versucht immer, dorthin zurückzukehren, woher es kommt". Gilt das auch für Sie?Clark Ja, aber ich glaube, das kann jeder von sich sagen. Ich habe zum Glück diese fürchterliche Sklaverei nicht am eigenen Leib erlebt. Aber ich habe trotzdem das Bedürfnis nach den eigenen Wurzeln zu suchen. Genau deshalb ist dieses Konzert entstanden.Eva-Maria ReutherChristina Clark tritt am Sonntag, 3. September, um 18 Uhr in der Kultur-und Tagungsstätte Synagoge Wittlich auf. Karten gibt es im TV-Service-Center Trier und unter der TV-Tickethotline 0651/7199-996.Interview Christina ClarkExtra: ZUR PERSON

Christina Clark wurde in Rochester/Minnesota geboren und an der University of Michigan in Ann Arbor ausgebildet. Derzeit ist sie am Aalto Musiktheater in Essen engagiert. Die Sopranistin hat in der Vergangenheit mit namhaften internationalen Orchestern und Regisseuren zusammengearbeitet.

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