Mendelssohns Vermächtnis

TRIER. (mö) Zum zweitenmal präsentiert der Trierische Volksfreund ein Oratorienkonzert im Freihof der Abtei St. Matthias. Spee-Chor und Städtisches Orchester Trier musizieren zwei bedeutende Kompositionen von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Leitung hat Martin Folz.

Das Werk sollte ein Abschluss sein. Felix Mendelssohn Bartholdy hatte mit dem Oratorium "Paulus" ein Thema der Apostelgeschichte aufgegriffen und mit dem "Elias" einen Stoff aus dem Alten Testament. "Christus" sollte ein theologisches Resümee und Verbindung zwischen dem prophetischen und dem apostolischen Stoff sein - Jesus als Mittelpunkt. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Mendelssohn starb 1847, ehe er das dritte Oratorium vollenden konnte.Zwei Teile sind erhalten - zur Geburt und zur Passion Christi. Am Pfingstmontag, 9. Juni, 20.30 Uhr, erklingen diese Fragmente im Freihof der Abtei St. Matthias. Außerdem musizieren Spee-Chor und Städtisches Orchester Trier unter der Leitung von Martin Folz die "Lobgesang"-Sinfonie. Mendelssohn schrieb sie zur 400-Jahr-Feier der Buchdruck-Erfindung.Bach als Vorbild: Mendelssohn orientiert sich in den "Christus"-Fragmenten am "Weihnachtsoratorium" und an den Passionen des Thomaskantors. Wie Bach schreibt Mendelssohn erzählende Rezitative, dramatische Chorpartien und verinnerlichte Choräle. Und manche Abschnitte klingen, als sei dem Romantiker das mächtige Vorbild stets präsent gewesen. Immerhin hatte Mendelssohn als 20-Jähriger die "Matthäuspassion" wieder aufgeführt und damit die Bach-Renaissance im 19. Jahrhundert eingeleitet. Arien freilich konnte der Komponist nicht mehr schreiben. Doch der eigene Tonfall Mendelssohns bleibt immer spürbar - Wärme und Weichheit fernab von allem Süßlichen.Das Motto des Konzerts: "Finsternis wird Licht"

Mit dem "Lobgesang" schrieb Mendelssohn eine Sinfonie-Kantate. In den ersten drei Sätzen gleicht das Werk einer klassischen Sinfonie. Dann setzen die Solisten und der Chor ein und erweitern den stilistischen und klanglichen Rahmen beträchtlich: Ein Kunstwerk aus begriffslosen Tönen wird zur Verbindung von Text und Musik.Die Veranstaltung findet unter freiem Himmel statt. Trotzdem soll sie keine der üblichen Open-Air- Events sein. Im Gespräch betont Martin Folz: Hinter dem Konzert steht ein inhaltliches, ein theologisches Konzept. Das Motto des Konzerts, "Finsternis wird Licht", ist kein beliebiges Etikett. Der "Lobgesang" nimmt eine technische Revolution zum Anlass, um ein aufgeklärtes, an Vernunft und Fortschritt orientiertes Christentum zu feiern - ein Christentum übrigens, das auch Toleranz praktiziert gegenüber dem Judentum.Das war für den getauften Juden Mendelssohn ein persönliches Anliegen. Mit dem "Christus" stellt sich der Komponist ganz in diese aufgeklärt-christliche Tradition: Christus als Mittler - nicht nur zwischen Gott und Mensch, sondern auch zwischen dem Alten Bund, den der "Elias" repräsentiert, und dem Neuen Bund des "Paulus". "Finsternis wird Licht" bedeutet nicht diffuse religiöse Erleuchtung. In dem Motto spiegelt sich die Idee einer Einheit von Vernunft und Glauben. Dieser Gedanke ist im Zeitalter von Atheismus und religiösem Fundamentalismus zweifellos ausgesprochen aktuell.Als Solisten wirken mit: Kathryn Krasovec, Sopran; Angela Lösch, Mezzo und Marc Dostert, Tenor. Für die Freiluft-Aufführung sind 1800 Sitzplätze vorgesehen; findet die Veranstaltung bei schlechtem Wetter in der Kirche statt, schrumpft die Zahl der Plätze auf 1200. Die "Elias"-Aufführung vor zwei Jahren musste sich Kritik wegen ungenügender Tonübertragung gefallen lassen. Das soll diesmal anders werden. Ton und Beleuchtung werden deutlich verbessert. Karten: 0651/718-1818.

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