Mensch…Margret Suckale

Das hätten Sie wahrscheinlich vor einem Jahr auch nicht gedacht, dass Sie innerhalb weniger Wochen zu einem der bekanntesten Fernsehgesichter in Deutschland werden könnten. Keine Nachrichtensendung dieser Tage ohne Ihre eindringlichen, mit zutiefst besorgter Miene, aber stets formvollendet vorgetragenen Appelle an Ihre Kontrahenten von der Eisenbahner-Gewerkschaft.

Fast könnte man meinen, Sie müssten den entstehenden Schaden höchstpersönlich aus Ihrem Vorstandsgehalt von 1,7 Millionen Euro (so viel waren es laut Wikipedia im Jahr 2006) bezahlen, so betroffen blicken Sie drein. Und wahren doch immer perfekt die Contenance. Der Bahnvorstand weiß schon, warum er Sie ins Medien-Feuer schickt statt Herrn Mehdorn, der als Sympathieträger im Lande allenfalls noch von Uli Hoeneß und Dieter Bohlen übertroffen wird. "Supernanny statt Rumpelstilzchen", auf diese geniale Formel hat es der sonst nicht gerade originelle Gewerkschaftsboss Schell gebracht.Allein Ihre mediale Zweierbeziehung mit diesem Fossil aus Gewerkschafts-Gründerzeiten hat bisweilen größeren Unterhaltungswert als Laurel&Hardy oder Don Camillo und Peppone. Die Welten, die da aufeinander treffen, liegen mindestens so weit voneinander entfernt wie bei manchen Paarungen von "Bauer sucht Frau". Die Managerin und der Funktionär, die Karriere-Juristin und der ehemalige Viehwagen-Reiniger, die Arbeitsdirektorin und der Arbeiterführer: Sie wären sich wohl allenfalls auf dem Bahnsteig begegnet, hätte sie ein grausames Schicksal nicht als Verhandlungspartner zusammengenötigt. Jetzt treffen sie sich in den Porträt-Spalten der "Zeit", der "FAZ" und des "Spiegel". Oder bei Anne Will, wo sich Herr Schell auf seinen Sessel lümmelt, dass jeder ordentliche Schaffner - pardon, Zugbegleiter - im ICE ihm einen Rüffel erteilen würde. Während Sie, Frau Suckale, derart korrekt-stocksteif da sitzen, dass dem als Experten geladenen Verhandlungspsychologen spontan das Attribut "böse Lehrerin" einfällt. Da werden einige Ihrer Vorstandskollegen schon wieder mal was gegrummelt haben von wegen "fehlender Hemdsärmeligkeit". Aber am Ende hatten Sie ihren Kontrahenten doch an den Gesprächstisch gelotst.Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass Sie sich Ihr Schmerzensgeld auf dem Gehaltszettel dieses Jahr ziemlich sauer verdienen. Aber nur Mut: Herr Schell geht nächstes Jahr in Pension, und Sie fallen als einzige Frau unter den 500 Vorstandsmitgliedern der 100 größten deutschen Unternehmen sicher noch ein bisschen die Treppe hoch. Rumpelstilzchen ist ja schließlich auch schon 65.Dieter Lintz

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