Mensch... Meyer!

Nicht, dass ich ein besonderer Fan des 1. FC Nürnberg wäre. Aber dem Hans Meyer, also Ihnen persönlich, hab' ich's nachhaltig gegönnt, dass der DFB-Pokal nach Franken gewandert ist.Nein, Sie sind mir nicht deshalb so sympathisch, weil sie noch aus der alten DDR stammen.

Sondern deshalb, weil man Ihnen das noch anmerkt. Das gibt es nicht mehr allzu oft. Die paar Leistungsträger, die von damals noch übrig sind, haben sich bis zur Besinnungslosigkeit den Erfordernissen des Marktes und seiner angeschlossenen Medienbetriebe angepasst. Die sind geworden wie ihre Wessi-Kollegen: Lauter lackierte, rhetorisch im Nichtssagen geschulte, durchtrainierte, mit allen Wassern der modernen Personalführung gewaschene leitende Angestellte. Nur wenn mal was schiefläuft, wenn unangenehme Fragen kommen, dann sind sie augenblicklich beleidigt.Und dann kommt da einer wie Sie: Sitzt im Trainingsanzug auf der Bank wie einst Sepp Herberger, führt ein stolzes Wohlstandsbäuchlein spazieren, gibt für seine Spieler ganz altmodisch den General und ist überhaupt viel zu alt für die Zielgruppe der werbenden Wirtschaft, die mit ihren Spots die Millionen-Gagen für den Kicker-Betrieb finanziert. Übrigens, ganz im Vertrauen: Ihre Pressekonferenzen machen mir oft mehr Spaß als das ganze Spiel. Wie Sie sich über die dümmlichen Fragen der überflüssigen Reporter-Blase derart gekonnt lustig machen, dass die gar nicht merken, wer da vera… wird. Und den Kakao, durch den sie gezogen werden, dann noch genüsslich austrinken. Lernt man das an der Deutschen Hochschule für Körperkultur? Oder in Thüringen auf dem Dorf? Scheint jedenfalls keine schlechte Schule gewesen zu sein, die Sie absolviert haben.Ein Zyniker wie Sie hat einen Vorteil: Er wird zu keinem Zeitpunkt glauben, dass all die Lobhudeleien, Liebedienereien und Helden-Epen, die zurzeit auf Sie einprasseln, eine längere Verfallszeit haben als fünf, sechs schlechte Spieltage in der kommenden Saison. Dann wird man sagen: "Schau mal, der alte Sack mit seinen überholten Methoden. Und seine Sprüche waren auch schon mal besser. Wie lange sollen wir uns seine Unverschämtheiten eigentlich noch bieten lassen?" Aber ich versprech' Ihnen: Bei mir haben Sie dann immer noch einen Stein im Brett. Rufen Sie an, vielleicht lässt sich bei Eintracht Trier was machen. Womöglich brauchen die bis dahin einen, der sie aus der Bezirksliga wieder nach oben führt. Doch wie ich Sie kenne, sind Sie bis dahin Trainer bei den Alten Herren von Robotron Sömmerda oder Turbine Potsdam. Und die sind auf dem Weg zur deutschen Seniorenmeisterschaft. Dieter Lintz

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort