Mensch... Mr. Obama

W hat a great Show! Bis jetzt dachte ich ja, die Olympia-Eröffnung sei das am cleversten inszenierte Spektakel der aktuellen Saison, aber Ihr Parteitag in Denver kann da durchaus konkurrieren. Wie Ihre Regisseure in sorgfältigem Timing Frau Michelle und die Kinderchen ins Rampenlicht schieben, den großen alten Ted Kennedy direkt aus der Chemo auf die Bühne hieven, Hillarys Offenbarungseid elegant in Szene setzen, bevor Sie sich dann höchstselbst ins Stadion stellen zu einer finalen Weihe-Feier, wie sie Richard Wagner nicht hätte besser komponieren können: Hut ab, das hat was.

Und ein Feuerwerk gibt's garantiert noch obendrauf fürs US-Fernsehvolk. Wahrscheinlich made in China.

Das muss man Euch Amis schon lassen: Ihr versteht Euch drauf, auf einer Glatze Locken zu drehen. Brillant, wie Eure 150 Fernsehsender es hingekriegt haben, dass bis rüber nach good old Europe das Publikum glaubt, demnächst stünde eine Entscheidung von größter Bedeutung für den Rest der Erde an. In Berlin haben die Leute Ihnen zugejubelt wie einem Messias, der als, wie es so gern heißt, "mächtigster Mann der Welt" das Krumme wieder gerade biegt. Vom Kaukasus bis Bagdad, von den schmelzenden Polarkappen bis ins verdorrende Äquatorial-Afrika.

Dabei ist der US-Präsident, heiße er wie er will, doch immer nur das Kasperle an den Fäden derjenigen, die ihn finanzieren. Wer wird wohl die halbe Milliarde aufbringen, die Ihr Wahlkampf kostet? Die Schwarzen in der Bronx, die Arbeitslosen in Los Angeles oder die "working poor" im Mittleren Westen wohl kaum. Eher jene modernen Wirtschaftsleute, denen George Dabbelju mit seinem vorsintflutlichen Freund-Feind-Denken nicht mehr der richtige Gewährsmann für die optimale Gewinnmaximierung im Zeitalter der Globalisierung erschien. Was die von Ihnen erwarten, ist nicht mehr Gerechtigkeit, Frieden oder Umweltschutz, sondern eine Interessenpolitik, die eleganter und geräuschloser daherkommt als Bushs Holzhammer. Damit ist Ihr Spielraum schon so ziemlich ausgelotet.

Es würde mich trotzdem freuen, wenn Sie's schaffen. Schon aus polit-ästhetischen Gründen wäre es eine mächtige Verbesserung gegenüber dem Status quo. Aber auch, wenn McCain das Rennen macht, könnte man in Zukunft hoffen, dass der US-Präsident wenigstens kein gutes Gewissen hat, wenn er völkerrechtswidrige Kriege führt oder seinem Geheimdienst Persilscheine fürs Foltern ausstellt.

So gesehen, können wir Europäer beruhigt nach Denver oder nächste Woche zu den Republikanern nach St. Paul schauen. Egal, wer's wird: Ändern wird sich eh nicht viel - und wenn, dann kann's nur besser werden.

Dieter Lintz

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