Mensch... Rafael van der Vaart

Wieso ist ausgerechnet ein Bubigesicht wie Sie der abgezockteste Profi in der ganzen Fußball-Bundesliga? Unglaublich, wie Sie das am Wochenende hingekriegt haben. Nein, nicht den Affentanz um die Verletzung beim Toben mit dem Söhnchen, und auch nicht die freche Provokation mit dem Valencia-Trikot, das Sie so freundlich in die Kamera hielten.

Was ich meine, ist die Art, wie Sie das Hamburger Publikum einfach in den Sack gesteckt haben. Da kommen die Leute ins Stadion, kratzen die letzte Kohle für teure Tickets zusammen, hängen an ihrer Mannschaft wie der Hund am Herrchen. Und dann ist da einer wie Sie, der für eine Handvoll Euro mehr bei jedem Verein spielt, der sich die Transfer-Summe leisten kann. Den Verträge nicht die Bohne interessieren. Der keinen Hehl daraus macht, dass er auf seinen Job beim HSV so viel Lust hat wie die Klofrau bei der Koma-Party auf den ihren. Und was passiert? Sie spielen zwei hübsche Pässe, ziehen ein paar Sprints an und treffen aus elf Metern ein sieben Meter breites Tor. Prompt jubeln ihnen die Massen zu, als hätten Sie als erster Mensch den Mars betreten.Wissen Sie, was ich mir da gedacht habe? Die sind sich gar nicht so unähnlich, die Leute auf dem Rasen und die auf den Tribünen. Letztlich zählt nur eins: die Punkte. Wie der Erfolg zustande kommt, juckt weder Fans noch Spieler. Da kann die Söldnertruppe so zusammengekauft sein, wie sie will: Wenn sie gewinnt, wird sie geliebt. Man fragt sich nur, mit welchem psychologischen Kunstgriff die Fans dazu gebracht werden, zu glauben, die Soccer-Aktiengesellschaften der Neuzeit hätten irgendwas mit der Tradition von Schalke, Dortmund oder Hamburg zu tun. Mit Stan Libuda, Hans Tilkowski oder Uwe Seeler. Schon verrückt, wenn die Leute auf den Tribünen das Gefühl haben, es ginge um ihre ganz persönlichen Existenzfragen, während unten auf der Wiese fußballerische Lebensabschnittsgefährten aus Kamerun, Uruguay, Japan oder Transsylvanien in jene Richtung spielen, die ihnen ihr aktueller Vertrag zufällig vorschreibt. In der nächsten Saison kann es schon andersrum sein. Das alles braucht Sie, lieber Rafael van der Vaart, nicht zu interessieren. Sie haben das Geschäft kapiert. Man müsse als Profi halt "manchmal ein Arschloch sein", haben Sie über sich selbst gesagt. Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber lassen Sie wenigstens Ihr Söhnchen auf dem Boden. Dieter Lintz

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