Mensch... Thomas Dörflein!

Was wäre die Welt so schön, wenn es ein paar mehr von Ihrer Sorte gäbe. Nicht, weil Sie den Eisbären Knut gerettet und gepflegt haben, das hätten andere fachlich versierte Leute auch hingekriegt. Sondern weil Sie angesichts der Hysterie im Lande einfach normal geblieben sind.

Da erstellten seriöse Zeitungen "Bär-und-Pfleger"-Psychogramme, da spekulierten die Kollegen vom Boulevard seitenlang über Knut-Depressionen, da stellten sich eine Million Besucher, die für die tollste Kunst-Ausstellung der Welt keine fünf Minuten erübrigen würden, stundenlang an, um einen Blick auf ein Bärchen zu erhaschen. Gar nicht zu reden von den Damen, die Sie als Bärenführer gleich mit Heiratsanträgen überschütteten. Menschen, die sich ihren Lebtag noch nicht mit Erziehungsfragen beschäftigt hatten, diskutierten plötzlich darüber, wie ein Eisbär den Verlust von Bezugspersonen verkraftet. Eine Frage, die ihnen bei ihren eigenen Scheidungskindern nie in den Sinn gekommen wäre. Und jetzt ist sogar die erste Knut-Biographie von einem amerikanischen Star-Autor erschienen. Und Sie? Machen einfach nur Ihren Job. Packen die Gitarre aus und spielen Ihrem Zögling ein paar Stücke von Elvis Presley vor. Lehnen Werbeaufträge ab, weil Sie nach eigenem Bekunden "im Zoo genug verdienen". Weigern sich, in Talk-Shows aufzutreten, weil Ihnen "Kerner, Jauch, Maischberger und Beckmann ein Graus sind". Und plädieren dafür, Knut rechtzeitig aus dem Berliner Rampenlicht zu holen, "weil er die enge Bindung zum Menschen verlieren muss, wenn er ein Bär bleiben soll".Kurzum: Wenn das Prädikat "Vernünftigster Mensch der Republik" vergeben wird, sind Sie mein haushoher Favorit. Eigentlich gehören Leute wie Sie in die Politik. Aber so, wie ich Sie einschätze, sind Ihnen Parlamente und Parteien genau so sympathisch wie Talkshows.Sie werden sich um die kommende Generation im Zoo kümmern, selbst wenn kein Bär mehr danach brummt. Und bei meinem nächsten Berlin-Besuch, wenn ich sicher sein kann, einer von wenigen zu sein, dann schaue ich bei Ihrem Gehege mal vorbei. Versprochen. Dieter Lintz

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