Micky und der Messias

TRIER. Viel besser kann ein Tournee-Auftakt nicht laufen: Die Fantastischen Vier haben ihre dreiwöchige "Unplugged"-Tour mit einem grandiosen Doppelkonzert in Trier eröffnet. Insgesamt 7000 Zuschauer feierten am Donnerstag- und Freitagabend im Amphitheater mit den Deutsch-Rappern. Der TV präsentierte die Konzerte.

Thomas D. steht mit nacktem Oberkörper auf der Bühne. Scheinwerfer tauchen ihn in flackerndes Grün, vervielfältigt auf zwölf kleinen Leinwänden an der Bühnendecke. Eine Sitar ziept im Hintergrund. " Wir werden erwachen, unter falschen Propheten, um als Kinder dieser Erde unser Erbe anzutreten", rappt Thomas D. dazu, "Millionen Legionen" will er laut Songtitel hinter sich bringen. Später wird der "Fanta"-Rapper mit Wahl-Heimat im Eifel-Dörfchen Heyroth (Kreis Daun) die kreischende Kettensäge auspacken, damit über die Amphitheater-Bühne jagen, um dem Titel "Schizophren" noch mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Die Pathetischen sind zurück in Trier, vier Jahre nach ihrem letzten Auftritt in der Messeparkhalle. Die Albernen. Die Schizophrenen. Die Fantastischen. Die Vier. Und das Amphitheater bebt: Zwei Stunden lang singen, hüpfen und tanzen die Fans der gebürtigen Schwaben, die 1992 mit ihrem Album "Vier gewinnt" dem deutschsprachigen Hip Hop den kommerziellen Durchbruch bescherten. 3000 Zuschauer sind es am Donnerstag beim Zusatzkonzert und 4000 beim schon seit Wochen ausverkauften "offiziellen" Tour-Auftakt. Die Gladiatoren der Neuzeit haben vielleicht alberne Namen - Smudo, Thomas D., And.Ypsilon und "Hausmarke" Michi Beck - sie sind aber längst ein Markenzeichen für Qualität geworden. Ihr Rezept: Sie schreiben über Dinge in ihrem Umfeld. Über Liebe, Exzesse und Musik. Das bisschen Pathos und die Anflüge von Wahnsinn sind bei den Fantastischen Vier wohl dosiert. Es wirkt nicht aufgesetzt oder platt. Nichts ist zufällig. Dass das Jubiläumskonzert der Fantastischen Vier am Donnerstag im Amphitheater - es ist ihr 500. Auftritt - "etwas ganz Besonderes" wird (O-Ton Smudo), das liegt an der Band, den Fans, aber auch an der antiken Kulisse. Bevor die erfolgreichste deutschsprachige Hip Hop-Band im nächsten Jahr eine neue Platte heraus bringt, gibt es für die Fans sozusagen zum "Warm-werden" eine knapp dreiwöchige "Unplugged"-Tour. Bei "Unplugged"-Konzerten ist normalerweise Vorsicht geboten. In Rezessions-Zeiten kann das bedeuten: Der alternde Rock-Star stellt sich ein einsames Klavier oder alternativ die Lagerfeuer-Klampfe auf die Bühne, schmeißt dafür die teure Hintergrund-Band raus, langweilt die Zuschauer, verdient aber mehr. "Unplugged" als Deckmäntelchen fürs große Sparen? Das gibt es bei den "F4" nicht. Flöten, Streicher und Motorsägen

Im Gegenteil. Wenn die gebürtigen Schwaben drei Jahre nach dem legendären MTV-Unplugged-Konzert in einer Höhle im Sauerland auf Tour gehen, nehmen sie gleich ein halbes Orchester mit auf die Reise. Plattenspieler und Sampler bleiben zu Hause, dafür stehen 18 Musiker - vom Streicher-Ensemble bis zum Flötisten - gemeinsam mit den Vier auf der Bühne. Vielen Stücken bekommt die "Stecker-raus"-Therapie dabei sehr gut: Der Hit "Sie ist weg" kommt im komplett anderen Gewand daher, auch Songs wie "Buenos Dias, Messias" gewinnen durch die neuen Arrangements. Und wer befürchtet hat, zuviel "Akustik" gehe zu Lasten des "Hüpfpotenzials" sieht sich ebenfalls getäuscht. Bei den Klassikern "Was geht", "Der Picknicker" oder "Populär" herrscht die beste Stimmung in der römischen Arena. Im Zugabenteil gibts das noch unveröffentlichte "Titties und Popos", bei dem Smudo mit Unterstützung von reichlich Helium stimmlich zur Micky Maus mutiert. Albern darf man eben auch noch mit Mitte 30 sein - zumindest, wenn man vorher lange genug gezeigt hat, dass man fantastisch ist. Zum Abschluss spielen Thomas D. & Co. dann das ruhige "Tag am Meer" - und wenn man die Augen schließt und tief einatmet, bleibt nur eine Frage: Wer braucht an einem solchen Abend noch Meer? Weitere Bilder unter http://www.intrinet.de/clickme

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