Midori und die vollendete Geigenkunst

Eine 270 Jahre alte Violine und zwei Musiker im Format der Geigerin Midori und des Pianisten Charles Abramovic garantieren eigentlich immer einen erfolgreichen Abend der Kammermusik. Was man im Kurfürstlichen Palais aber erleben durfte, war mehr als das.

Trier. Der Pianist Arthur Rubinstein soll einmal gesagt haben "Piano ist nicht schwach, sondern leise." Eine Aussage, die die Geigerin Midori bei ihrem Spiel in einzigartiger, in dieser Form nur selten zu hörenden Weise, beherzigt. Sie ist in der Lage, einen Ton vom Piano ins Pianissimo zu führen, ohne das er etwas an seiner Präsenz verliert. Er steht im Raum, bis er tatsächlich in der Unendlichkeit entschwindet. Midori und vollendete Geigenkunst auf allerhöchstem Niveau. Dies war beim Konzert der Kammermusikalischen Vereinigung im Kurfürstlichen Palais in Trier zu erleben. Zusammen mit dem Pianisten Charles Abramovic gastierte Midori an der Mosel. Nach den eher enttäuschenden letzten beiden Kammer-Konzerten war dieser Abend endlich wieder einer, wie man ihn im Palais gewöhnt ist: erstklassig.Immer wieder erntete das Duo mehr als nur begeisterten Applaus vom mit rund 250 Zuhörern quasi ausverkauften Auditorium. Ob es nun für die vier romantischen Stücke, Opus 75 von Antonin Dvorák, waren oder die fünf ausgewählten Préludes aus Opus 34 von Dmitri Schostakowitsch, in der Bearbeitung für Violine und Klavier, von Dmitri Tsyganov. Alle neun Sätze erinnerten eher an Miniaturen, die aber mit einer Intensität musiziert wurden, dass es ein Hochgenuss war. Als Gegengewicht standen die erste Sonate von Alfred Schnittke und die Sonate A-Dur, die sogenannte "Kreutzer-Sonate" von Ludwig van Beethoven auf dem Programm. Es bedurfte keiner prophetischen Gaben, um schon im ersten Teil von Beethovens Opus 47 vorauszusagen, dass es am Ende Bravo-Rufe geben würde. So großartig Schnittke, Dvorák und Schostakowitsch musiziert wurden, hier kulminierte das musizieren von Midori und Abramovic. Dass beide in technischer Hinsicht unanfechtbare Könner sind, steht außer Frage. Wenn sich dies dann mit einem perfekten Zusammenspiel und einer intensiven musikalischen Aussage verbindet, bleiben für den Zuhörer keine Wünsche mehr offen. Nach der Uraufführung war in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung zu lesen "Nur zwei Virtuosen, denen nichts mehr zu schwer ist, können vollen und reichen Genuss davon haben." Midori und Abramovic konnten Genießen, und mit ihnen ihr Publikum. Der enthusiastische Applaus am Ende des Abends war mehr als nur Anerkennung für die Künstler. Es war ein überzeugtes Dankeschön für das Erlebte. zur person Midori: Die 36-Jährige debütierte als Elfjährige am Silvesterabend 1982 mit dem New York Philharmonic. Sie ist gerngesehener Gast bei vielen Festivals und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Avery Fisher Prize (2001) sowie Japans höchste künstlerische Ehrung, den Crystal Award, oder den Suntory Hall Award. Neben ihrem musikalischen Schaffen setzt sie sich für von ihr gegründete Organisationen ein, die Menschen Zugang zur Musik verschaffen sollen. 2004 erschien mit "Einfach Midori" ihre Autobiografie.

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