Mikrokosmos der Akustik

Springiersbach. Abseits der üblichen Pfade, auf denen Neujahrskonzerte normalerweise zu finden sind, bewegte sich in diesem Jahr der Musikkreis Springiersbach. Weitab von Walzer und Operette begeisterte das German Marimba Duo im ausverkauften Saal des Klosters am Kondelwald.

Das war eine Situation, wie sie sich mancher Konzertveranstalter nur wünschen kann. Alle Stühle sind besetzt, und immer noch strömen Musikfreunde heran, suchen ein freies Plätzchen. Dies konnte man im Karmelitenkloster Springiersbach erleben, als der dortige Musikkreis zu seinem Neujahrskonzert einlud. Dabei war sich dessen Leiter, Gerhard Vockensperger, gar nicht so sicher, ob sein Angebot angenommen werden würden. Während normalerweise Neujahrskonzerte den Wiener Walzer und Operettenklänge auf dem Programm haben, setzte er auf das Außergewöhnliche. Zum Start ins neue Jahr hatte man das German Marimba Duo aus Lübeck in den romanischen Saal des Klosters eingeladen. So herrschte drangvolle Enge rund um die beiden raumgreifenden Instrumente.Im ersten Teil klassische Konzertliteratur

Den ersten Teil des Konzertes gestalteten Matthias Kron und Andreas Schwarz mit einem ausladenden Werk der klassischen Konzertliteratur, dem Zyklus "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgski. Die Bearbeitungen dieser im Original für Klavier verfassten Komposition sind äußerst vielfältig und reichen von der berühmten Fassung für Sinfonieorchester über eine Rockversion bis hin zu einer Besetzung für Orgel und Dudelsack. Für zwei Marimbas aber das dürfte für die meisten Zuhörer etwas ganz Neues gewesen sein. Schon die Optik der Interpretation hatte ihren ganz eigenen Reiz. Die über zwei Meter langen Instrumente erforderten einen gehörigen körperlichen Einsatz der Interpreten und machten das Spiel zu einer schweißtreibenden, teilweise akrobatischen Angelegenheit. Freilich war das musikalische Ergebnis bei weitem wichtiger. Ganz neue Klangwelten lassen sich auf der Marimba erschließen, legen neue Aspekte der Komposition frei. Schwarz und Kron nahmen ihr Publikum mit in die Sphären der Obertöne, in einen akustischen Mikrokosmos. Insbesondere die beiden Bilder "Das alte Schloss" und "Katakomben" erhielten aus den teilweise dumpfen, gespenstischen Klängen eine ganz neue, so noch nicht erlebte Färbung, beim Tanz der Küchlein in ihren Eierschalen wurde das Picken der ungeborenen Tiere gegen ihr Gefängnis dank des spezifischen Klanges der Palisanderstäbe mehr als auf einem Konzertflügel deutlich. Die witzige Interpretation von Kron und Schwarz ließ die Tatsache, dass die Trefferquote der richtigen Klangstäbe durchaus nicht immer bei 100 Prozent lag, in den Hintergrund rücken. Ihr Spiel war ein Erlebnis. Dies sollte sich auch im zweiten Teil fortsetzen, in dem eigene Kompositionen der beiden Musiker erklangen. Darunter befand sich auch die Uraufführung von "Querköpfe" aus der Feder von Kron, ein virtuoses Geplänkel zweier Individuen, die immer, wenn der Zuhörer gerade meint, sie hätten sich auf einen gemeinsamen Rhythmus geeinigt, ausbrechen und die vermeintlich erreichte Harmonie zerstören. Ganz andere Klangwelten offenbarten sich beim Finalwerk des Konzertes, als das Duo von den modernen Marimbas wechselte zu zwei originalen Instrumenten, wie sie in Afrika gebräuchlich sind. Nicht metallene Resonanzröhren sondern Kalebassen sorgen hier für einen typischen Klang. Mit dem Werk "African River", einer mit vielen improvisatorischen Elementen versehenen Komposition ließ das Duo noch einmal seinen ganzen Humor und seine Virtuosität hörbar werden. Ein Konzert, dem man im vollen Umfang bescheinigen kann: ein Volltreffer.

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