Missionen, Zeitgeist und Ekstase

Wochenende der Rekorde: Erstmals war die diesjährige Auflage von Rock am Ring mit über 80 000 Fans am Nürburgring bereits vor Festivalbeginn ausverkauft. Die Zuschauer erlebten mit Bands wie Linkin Park, Die Ärzte, Muse oder Beatsteaks ein denkwürdiges Rock-Wochenende.

Nürburgring. Samstagnachmittag vor dem Haupteingang des Nürburgrings. Es gibt eine Mission zu erfüllen. Jetzt in den ruhigen Momenten, in denen der Freitag in den Köpfen noch verarbeitet wird und der Samstag noch nicht angekommen ist. Keine profane Mission mit stumpfen Trinkspielchen oder mit bierseligen Gruppen-Gesangs-Attacken. Es geht um mehr. Eine Gruppe wirbt für Höheres als Linkin Park oder Die Ärzte. "Jesus loves you", verkündet eines der Transparente, ein paar weitere mit ähnlichen Inhalten hängen daneben. Ein paar Jungs nutzen das für das alberne Wortspielchen. "Jesus - das bin ich", grölt einer. Vielleicht findet der eine oder andere einen neuen Zugang. Gegen alkoholisierte Gruppendynamik ist aber noch kein Glaubenskraut gewachsen.Die Transparente sind keine Demo gegen Rockmusik. Nicht gegen Slayer und andere heftige Metal-Bands, die am Abend auf der Alternastage spielen werden. Musik, die man sich schwerlich bei der Hochamt-Untermalung vorstellen kann. Es geht nur um Werbung in eigener Sache. Die Zeiten haben sich dabei geändert. Denn wer Rock heute noch per se als Teufelsmusik abkanzelt, was bei der Erstauflage von Rock am Ring 1985 noch vorkam, darf sich heute ziemlich allein fühlen. Unverstanden in der eigenen eisigen Welt, in der die Werte bröckeln und brechen. Und die gottlose, einsame Jugend vor teuflischen Computern zu hassbefeuerten Killern wird. Schön, dass das alles nicht so ist. Bei Rock am Ring geht es vielleicht weniger um Glaubensfragen, aber doch um Gemeinschaft. Es gibt zwar nicht mehr viele, bei denen man mit Musik eine Revolution anzetteln kann. Und wer bei allem lustlosen Radio-Gedudel und der röchelnden Musikindustrie schon das Ende der Musik befürchtet, liegt daneben.Rekordauflage mit jungen Rock-Fans

Live-Auftritte von Bands sind angesagt. Rock am Ring boomt dabei wie nie. Vor 22 Jahren fand die erste Auflage in der Eifel statt. Mittlerweile sind längst die Kinder der Premieren-Gäste auf dem Festival gelandet. So ist das Festival und auch das Parallel-Festival Rock im Park in Nürnberg erstmals schon vor dem Beginn ausverkauft. Über 80 000 junge Fans - die meisten zwischen 18 und 24 Jahre alt - feiern und zelten rund um den Nürburgring. Ein friedliches Fest - klar: mit viel Alkohol, aber auch mit großem Gemeinschaftssinn und wenigen Problemen. Die Rock am Ring-Auflage 2007 wird in Erinnerung bleiben. Nicht, weil sie das beste Programm aller Zeiten geboten hätte. Das war im Vorjahr noch etwas besser. Da gab es zu einem - wie in diesem Jahr - sehr guten Mittelfeld auch noch Superstars wie Depeche Mode oder Metallica. Diesmal wird deutlich, dass Zuschauer nicht nur wegen der Bands in die Eifel kommen. Viele kommen wegen der Marke Rock am Ring. Wegen Stimmung und Infrastruktur. Zehntausende basteln sich ihre individuellen Erinnerungen. Die Bands wie Muse (herausragend!), die gefeierten Linkin Park oder die bewährten "Ärzte" liefern den Soundtrack dazu. Einen nicht so leichten Stand hatten die Smashing Pumpkins, die nach sieben Jahren Pause ihr (noch nicht erschienenes) Album "Zeitgeist" vorstellten . Die Stimmung war nach den gefeierten Beatsteaks nicht zu toppen. Die Berliner brachten Zehntausende dazu, in die Hocke zu gehen und bei "drei" in die Luft zu springen. Schon vorher hatten Kaiser Chiefs und Mando Diao ihre Qualitäten als kurzweilige Live-Bands bewiesen. Eine Stadionrock-Band sind die cleveren, manchmal verschrobenen Pumpkins dagegen nicht - aber ein Bonus zu den vielen Ring-bewährten Bands wie Korn, Machine Head oder The Hives waren sie allemal. {routv} Wie war welche Band? Das lesen Sie im TV-Rock-am-Ring-Tagebuch unter volksfreund.de. Nächstes Rock am Ring: 6. - 8. Juni 2008.

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