Mit Klamotte und Klamauk zum Nachdenken

TRIER. Der Titel verheißt Klamauk. Aber Alexander Etzel-Ragusas "Krawall im Karneval" ist im Kern sehr ernst. Am Sonntag wurde das Stück in der Theater-Reihe "herausragende Persönlichkeiten" aus der Geschichte Triers uraufgeführt. Es geht um die Gründungsjahre der Trierer Karnevalsgesellschaft "Heuschreck", die sich damals noch "Verdruss" nannte.

Vorhang auf. Hinten grüßen klassizistische Säulen. Vorne flüchtet die leicht geschürzte Mätresse vor zwei geilen Kerlen. König Ludwig aus dem Bayernland torkelt herein, spießt symbolträchtig einen Berliner Ballen auf, macht sich über die allzeit bereite Lola her und lässt sich weder vom Beamten noch vom Bischof davon abhalten. Ein kräftiger Griff in die Klamottenkiste.Das schadet nicht. Die erste Szene von "Krawall im Karneval" ist Theater auf dem Theater. Da probt die regierungskritische Trierer Narrengesellschaft "Verdruss" ihren Auftritt. Mitten drin Andreas Tont, der Zigarrenfabrikant und aufmüpfige Republikaner.Die zugehörige Geschichtslektion erteilt uns Autor Alexander Etzel-Ragusa in den anschließenden Dialogen: Vom wirtschaftlichen Niedergang der Stadt Trier nach der Übernahme durch die Preußen 1814, von Aufbegehren und Unterdrückung und vom Elend der Menschen - um 1848 lebten zwei Drittel der Trierer Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Solche Fakten sind nicht gerade bühnenwirksam. Und überhaupt: Elend, Revolution und nachfolgende Restauration in Trier - das ist für ein Theaterstück wohl zu viel Stoff. Der Autor, Dramaturg des Trierer Theaters, macht daraus das Beste. Er beschränkt sich auf dramatische Skizzen und bleibt dabei nah an der historischen Wirklichkeit. Der erste Karnevalsprinz Andreas Tont und das Trierer Original Fischers Maathes sind belegte Gestalten und für die Figur des Advocatus gibt es immerhin ein Vorbild. Und durch den Kunstgriff des Theaters auf dem Theater fällt das Bruchstückhafte des Werks gar nicht sonderlich auf.Ausstatterin (Ruth Groß) und Beleuchter (Klaus Pahlke) nutzen die technischen Möglichkeiten wirkungsvoll. Tim Olrik Stönebergs Fischers Maathes tritt lautstark und kraftmeiernd auf, um am Ende ganz still zu werden. Verena Rhyn gibt der Wirtin Süß einen bewährt couragiert-gefühlvollen Tonfall mit und das Bäbbchen von Eva Steines erfreut mit durchdachter Gestik. Klaus-Michael Nix zeigt als Advocatus anfangs wenig Profil, steigert sich aber im Abschlussmonolog zu überzeugender Rhetorik.Aus "Verdruss" wird "Heuschreck"

An der Spitze Markus Angenvorth als Andreas Tont: selbstbewusst, aufsässig, sarkastisch angesichts der lahmenden Revolution und schließlich resignierend. Zum zynisch-staatstragenden Monolog des Anwalts drückt er am Klavier schauerliche Akkorde - eine tragische Figur. Am Ende komplimentiert man ihn hinaus. Der Karnevalsverein "Verdruss" wird zum harmlosen "Heuschreck". Etzel-Ragusas Stück ist ernster als es auf den ersten Blick scheint - und ernster zu nehmen ohnehin. In ihm kehrt das alte, noch längst nicht erledigte Spiel aus Rebellion und Unterwürfigkeit wieder und auch etwas von der deutschen Gemütlichkeit, die sich später mit der Aggressivität brauner Banden bestens vertrug. Zum Nachdenken, zum Miterleben und auch zur Betroffenheit gibt das Stück allemal Anlass.Weitere Termine auf der Studiobühne: 25., 27., 30. März. Karten gibt es unter Telefon 0651/718-1818.

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