Mit geübtem Blick für Meisterwerke

LUXEMBURG. Zeugen einer einer großen Verbundenheit: Das Nationalmuseum in Luxemburg zeigt die Kunstsammlung der Großherzogin Joséphine Charlotte.

Privat sammeln heißt der eigenen Lust frönen. Wo Museen dem Beispielhaften und Überlieferungswürdigen verpflichtet sind und Galerien entschieden vom Markt abhängen, da gilt für den Privatsammler: Erlaubt ist, was gefällt. Weder Gewinnerwartung noch Gebrauchstüchtigkeit zählen. Das Herz, die Liebe auf den ersten Blick, entscheiden, was fortan in Besitz genommen wird. Dass sich am Ende so manche Kollektion dann doch als wertvoll und wichtig präsentiert, zeugt nur vom sicheren Blick der Sammler und vom Kenntnisreichtum ihres Herzens. Dem "Coup de Coeur", der Stimme ihres Herzens folgte auch Großherzogin Joséphine Charlotte, als sie vor über 40 Jahren ihre Sammlung moderner Kunst anlegte. Die Mutter des regierenden Großherzogs genießt in Luxemburg seit langem den Ruf einer interessierten Ausstellungsbesucherin und leidenschaftlichen Kunstliebhaberin. Als hochaufgeschlossene Gesprächspartnerin in Sachen Kunst erlebten sie Museen und Galerien vor ihrer schweren Erkrankung. Regelmäßig hat die großherzogliche Familie in der Vergangenheit Stücke aus den eigenen Sammlungsbeständen für Ausstellungen ausgeliehen. Künftig sollen ihre gesamten Kunstschätze der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Mit der Präsentation der Kunstsammlung von Großherzogin Joséphine Charlotte im Luxemburger Nationalmuseum wird der erste große Schritt in diese Richtung getan. Koloristin und Farbliebhaberin

Wer die Bilder und Skulpturen aus der großherzoglichen Sammlung betrachtet, dem teilt sich etwas von jener Leidenschaft und Spontanität mit, mit der die großherzogliche Sammlerin ihre Erwerbungen anging. Mehr noch: die 108 Ausstellungsstücke, die das Nationalmuseum als repräsentativen Querschnitt der gesamten Kollektion zeigt, spiegeln reizvoll die Sammlerpersönlichkeit Joséphine Charlottes wieder. Ganz gewiss war hier eine Koloristin, eine Farbliebhaberin am Werk, der das Sinnliche in der Kunst sicher nahe steht. Gleichwohl hat sich die Sammlerin - und das spricht ganz entschieden für sie - den eigenen Horizont offen gehalten und der künstlerischen Entwicklung Raum gegeben. Vom Altmeister Alfred Manessier, und seinem Farb-Feuerwerk bis zum jungen aufmüpfigen Belgier Wim Delvoye reicht die Bandbreite dieser Schau. Dokumentiert wird darin auch die Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Dass dabei die Luxemburger Künstler gebührend zu Wort kommen, versteht sich von selbst. Angefangen hat alles mit den abstrakten Nachfahren der "Ecole de Paris", eben mit besagtem Manessier und Maurice Estève oder mit dem Belgier Louis Van Lint und seiner hinreißenden "Winterlichen Morgendämmerung". Das Dreigestirn Baselitz, Immendorf, Lüpertz steht ebenso wie Per Kirkeby für zeitgenössische malerische Hochprominenz. Robert Mapplethorpe und Nan Goldin vertreten die neue Rolle der Fotografie. Zurück zur neuen Gegenständlichkeit führen Bengt Lindström und Edouard Pignon. Tony Craggs Scherbenpuzzle und Rebecca Hornes Pyramiden stehen für zeitgenössische Skulptur und Objektkunst. Bleibt noch jene Kunst, die spottet und das Unrecht dieser Welt zum Himmel schreit. Das hat der 38-jährige Wim Delvoye mit seinen Fuchsschwänzen übernommen. Deren Blätter sägen am Ast gutbürgerlicher Sicherheit. Es gibt viele Wege zu dieser Schau. Nur ein wenig eng ist es im Nationalmuseum, so dass sich die Bilder die Luft abdrücken. Schade eigentlich. Bis 1. Juni, geöffnet Di. bis So. 10-17 Uhr.

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