Montierte Natur

TRIER. (chj) Wer sich für Natur interessiert, tut dies nicht zwangsläufig auch für Naturgedichte. Während der Lesung von Ursula Krechel im Biergartenhaus der LGS frönten die meisten Besucher dem Kaffeeklatsch.

Eigentlich ideale Bedingungen für eine Lesung. Erst recht, wenn wie in den Werken von Ursula Krechel die Natur eine große Rolle spielt. Das Biergartengebäude, das fast bis auf den letzten Platz besetzt ist, bietet eine herrliche Aussicht auf das Gelände bis weit ins Tal. Die meisten, überwiegend älteren Besucher sind jedoch weder aus literarischem Interesse noch wegen der Aussicht ins Restaurant geströmt. Draußen regnet es. Schnell kommt Gaststättenatmosphäre auf. Ursula Krechel versucht mit fortschreitender Dauer immer vergeblicher, gegen den stetig wachsenden Geräuschpegel anzulesen. Da der SWR die Lesung zudem noch für eine Radiosendung aufzeichnet, ist die Stimmung sowohl bei der Autorin, als auch bei der Moderatorin angespannt. Das erste Gedicht hat die Exil-Berlinerin Ursula Krechel, die in Trier geboren wurde, für die Landesgartenschau verfasst. In "Parkordnung" wird ein zerpflücktes, uneinheitliches, aber nicht chaotisches Bild von Naturgegenständen wiedergegeben. Der Titel ist nur bedingt wörtlich zu nehmen. Zwar entsteht innerhalb der Strophen beispielsweise durch das Aneinanderreihen von Wortfamilien eine Regelhaftigkeit, doch durch die äußere Form der Montage bleibt der Gesamtkontext fragmentarisch. "Parkordnung" unterscheidet sich wie alle neueren Werke, die Ursula Krechel liest, eklatant von ihren frühen Texten aus den 70er Jahren. Naturalistische Prosagedichte über Spaziergänge in Weinbergen sind einer expressionistischen, analytischen Lyrik gewichen. Trotz eines naturbezogenen Themenschwerpunkts möchte sich die Autorin nicht als Naturlyrikerin verstanden wissen. Die Natur diene der Großstädterin lediglich als Anregung, erzählt sie der Radiomoderatorin. Aus vermutlich anderen Gründen zogen sich die Besucher nach der knapp einstündigen Lesung dorthin wieder zurück.

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