Mouhanad Khorchide plädiert für einen Diskurs des Friedens

Trier · Er ist unter Muslimen umstritten, aber seine Ideen können für das Miteinander der Religionen in Deutschland hilfreich sein. Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide setzt sich ein für eine andere, eine gewaltfreie Lesart des Koran und für einen gewaltfreien Dialog zwischen den Bekenntnissen. Seine zentrale Einsicht: "Die Wahrheit ist unverfügbar."

 Offenheit und Dialogbereitschaft fordert Mouhanad Khorchide vom Islam.TV-Foto: Martin Möller

Offenheit und Dialogbereitschaft fordert Mouhanad Khorchide vom Islam.TV-Foto: Martin Möller

Foto: Martin Möller (mö) ("TV-Upload M?ller"

Trier. Er steht am Rednerpult - konzentriert, energisch, fast etwas verspannt und ganz ohne großzügig professorale Allüren. Mouhanad Khorchide ist es ernst um seine Sache. Und ernst ist es ihm auch um den Kontakt zum Publikum - knapp 200 Besucher in der fast voll besetzten Trierer Promotionsaula. Der Islamwissenschaftler, dessen Position unter Muslimen keineswegs einhellig begrüßt wird, ist das genaue Gegenteil eines Hasspredigers.
Khorchide kämpft, um den Islam aus dem engen Bezirk rechtgläubiger Traditionsbindung zu befreien. Er engagiert sich entschieden für einen "Diskurs des Friedens". Er streitet gegen das in Europa verbreitete Klischee von der gewaltbereiten Religion. Und er fordert von seinem eigenen Bekenntnis Offenheit und Dialogbereitschaft. Was bedeutet: Niemand muss seinen eigenen Glauben aufgeben. Aber anerkennen, dass auch andere Religionen einen Weg zum Heil verheißen, gehört zu einem echten Friedensdiskurs.Übel des "Exklusivismus"


Der "Exklusivismus", die Monopolisierung des Glaubens und das Bestehen auf einem allein seligmachenden Bekenntnis, zählen für Khorchide zum schlimmsten Übel religiöser Denkweise. Wer Andersgläubige oder auch Ungläubige ausschließe, propagiere Gewalt als Mittel der Religionsverbreitung. Und mehr noch: Er mache sich und anderen ein "gewalttätiges Bild von Gott".
In der Vortragsreihe des Emil-Frank-Instituts "Versöhnung zwischen den Religionen?" war Khorchides Referat das zweite einer dreiteiligen Reihe. Wie ein Grundton durchzieht seine Ansprache das Thema "religiöse Gewalt". Zum Dschihad, dem Heiligen Krieg, liest er den Koran ganz anders als manch rechtgläubiger Muslim. In der Heiligen Schrift der Muslime sei Krieg kein Mittel zur religiösen Eroberung, sondern letztes Mittel, um die religiöse Substanz des Islam gegen Angreifer zu bewahren.
Im Mittelpunkt steht bei Khorchide ein zutiefst religiöses Motiv, das zugleich aufklärerisch ist und auf Kant Bezug nimmt: die "Unverfügbarkeit der Wahrheit". Weil Wahrheit nach christlicher und auch islamischer Überzeugung bei Gott liegt, kann es keine absolute Glaubensgewissheit geben, sondern nur einen möglichst vielschichtigen Diskurs. Kein Zufall, dass Khorchide in diesem Zusammenhang die Ring-Parabel aus Lessings "Nathan der Weise" erwähnt.
Der Wissenschaftler wird einen historisch-kritischen Kommentar zum Koran herausbringen. Das ist für den Islam, der immer auf ein Verständnis des Koran nach dem genauen Wortlaut bestand, eine kleine Revolution. Aber es ist zugleich eine Annäherung an das moderne Christentum. Das praktiziert die historisch-kritische Bibelauslegung schon lange.
Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden spricht am Dienstag, 23. Februar, 19 Uhr, in der Promotionsaula Trier über "Interreligiöser Dialog als Chance und Lösung aktueller Krisen?". Eintritt frei.Extra

… den Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide: Der christlich-islamische Dialog gilt als schwierig. Wo sehen Sie das größte Hindernis? Khorchide: Wir haben in Deutschland im Vergleich zum Christentum wenig muslimische Theologen. Es gibt im Christentum gut ausgebildete Theologen, die in vielen religiösen Bereichen gut informiert sind. Auf der islamischen Seite haben wir es hauptsächlich mit einer Arbeiter-Migration der Muslime zu tun. Die Etablierung der islamischen Theologie an den Universitäten vollzieht sich erst allmählich. Und es kommen erst langsam gut ausgebildete Islamwissenschaftler von den Hochschulen, die einen Dialog führen können. Es gibt ein Ungleichgewicht. Dazu kommt, dass viele Vorurteile auf beiden Seiten bestehen. Wir wissen zu wenig voneinander. Was können wir in Deutschland vom Islam lernen? Khorchide: Muslime sind religiöser - das zeigen auch viele Kirchenstudien. Sie nehmen Gebet, Fasten, den Glauben an Gott ernster. Solche Elemente gibt es aber auch im Christentum. Wir können uns gemeinsam erinnern an unsere religiösen Werte - Gerechtigkeit, Barmherzigkeit. Da können wir uns gegenseitig bereichern. Ganz konkret und persönlich: Was tun Sie für den Dialog? Khorchide: Ich kläre Menschen auf über die Bandbreite in unseren Religionen. Damit man nicht pauschaliert - es ist das Christentum, es ist der Islam. Ich kläre darüber auf, dass sich im Dialog nicht Religionen begegnen, sondern Menschen. Man muss immer differenzieren. Und ich versuche, den Menschen zu vermitteln: Es geht nicht darum, eine einzige, gemeinsame Religion zu erreichen, auch nicht darum, den anderen von der eigenen Religion zu überzeugen. Wir müssen den anderen in seiner Andersheit anerkennen, und in ihm nicht das Fremde zu sehen, sondern das Neue, das mich berührt und womöglich bereichert. mö

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