Multimedia-Werk fürs Multi-Genie

Kurz vor Tores-Schluss der Kulturhauptstadt kommt ein Projekt auf die Bühne, das Triers Theater-Intendant Gerhard Weber "unser ehrgeizigstes 2007-Vorhaben" nennt: Die Multimedia-Oper "Cusanus" über den Philosophen, Theologen und Naturwissenschaftler Nikolaus von Kues.

Trier. Wenn von den wichtigsten Persönlichkeiten der Region Trier die Rede ist, fallen meistens die Namen Karl Marx und Konstantin. Die Bedeutung von Nikolaus Cusanus, unter Wissenschaftlern und Kirchenleuten unumstritten, wird von einer breiten Öffentlichkeit dagegen unterschätzt. Dabei ist der 1401 im Moselort Kues geborene Universalgelehrte nicht nur eine faszinierende Persönlichkeit, er hatte auch enormen Einfluss auf die Welt des Spätmittelalters.Mit dem "Szenischen Oratorium", das den Titel "Cusanus - Fragmente der Unendlichkeit" trägt, widmet sich erstmals ein multimediales Kunstwerk dem Denker von der Mosel. Über mehrere Jahre haben das Theater, das Cusanus-Institut an der Uni Trier, die Cusanus-Gesellschaft und die Theologische Fakultät an ihrem gemeinsamen Projekt gearbeitet. Dabei hat man sich frühzeitig entschlossen, keine leicht verdauliche Biographie auf die Bühne zu bringen. "Wir zeigen die Philosophie von Cusanus auf der Bühne, kein kunterbuntes Lebensbild", sagt der Intendant. Philosophie auf der Bühne zu zeigen - das ist alles andere als ein leichtes Unterfangen. Kernpunkt der Erkenntnisse von Cusanus ist die Einschätzung, dass der Mensch zwar Abbild Gottes sei, aber doch ein unfertiges. Und dass er zwar nach Vervollkommung strebt, dabei aber seine eigene Begrenztheit nicht überwinden kann. Es fehlt ihm die Fähigkeit zur "letzten" Erkentnis. Philosophie auf der Bühne

Cusanus' Weltbild ist damit im Kern anti-totalitär - und für seine Zeit außerordentlich modern, zumal für einen Theologen und Kirchenpolitiker. "Er hat Dinge gesagt, für die ein Giordano Bruno später verbrannt worden ist", betont Theater-Dramaturg Peter Larsen. Er hat deutsche Zwischentexte für eine Spiel-Handlung mit gesprochenen Szenen entwickelt, die die musikalischen Sequenzen miteinander verbindet. Für die Musik zeichnet der belgische Komponist Boudewijn Buckinx verantwortlich, die (überwiegend lateinischen) Liedertexte sind entweder Original-Cusanus oder stammen vom Librettisten Inigo Bocken. Wer eine in sich geschlossene Handlung erwartet, liegt daneben. Es gibt fragmentarische Szenen, die Momente vom Leben und Schaffen des Cusanus aufgreifen. Sie werden parallel umgesetzt von Sängern, Schauspielern und Tänzern des Trierer Ensembles. Den Rahmen bilden Video-Projektionen des Künstlers Rüdiger Mörsdorf, die teils vorproduziert sind, teilweise aber auch das Geschehen live begleiten. Triers Tanztheater-Chef Sven Grützmacher hat die anspruchsvolle Aufgabe übernommen, die spartenübergreifende und multimediale Inszenierung als Regisseur zusammenzuhalten.Die Musik vereinigt verschiedene Stilrichtungen, ist durch zahlreiche Brüche gekennzeichnet und hat - für zeitgenössische Komponisten durchaus untypisch - "immer ein Augenzwinkern". So beschreibt es jedenfalls Dirigent Franz Brochhagen. Dennoch klingt das ganz Projekt für den durchschnittlichen Theater-Konsumenten recht anspruchsvoll. Man müsse aber keine Angst haben, sagt Dramaturg Larsen. "Cusanus" lasse sich auch "poetisch erfassen", ohne dass man sich "wissenschaftlich mit ihm beschäftigt". Freilich sei die Oper "auch keine Carmen, bei der man alles ganz einfach verstehen kann". Ein umfassendes Rahmenprogramm soll den Zugang zu "Cusanus" erleichtern. Dazu gehört eine Ausstellung aus Kues, die im Theater aufgestellt wird, sowie ein Theatercafé am morgigen 18. November (11.15 Uhr). Im Theater ist auch ein informatives Büchlein mit dem kompletten Libretto und vielen Erläuterungen erhältlich. Premiere am Samstag, 24. November, 19 Uhr.

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