Mystische Mischpoke

SAARBURG. Ein Mix aus Mystik und Heavy Metal: "In Extremo" spielt Lieder mit historischen Instrumenten und alten Melodein. In Jahrmarktstracht inszenieren die sieben Berliner weder Götterdämmerung noch Mummenschanz, sondern Rockmusik. Auf der Tournee zum siebten Album besuchten die Spielleute die Stadthalle Saarburg.

"Potz Gift mich packt der Zorn am ganzen Leibe schwitzend / du stinkst von hinten, du stinkst von vorn nach Donnern und nach Blitzen" - So reckt das "letzte Einhorn", in Stiefeln reich beschnallt, den kantigen Schädel. Die Kameraden in Leder und Lappen stampfen nebenher. Sie pfeifen Dudelsäcke und Schalmeien, bedienen ein 92-saitiges Hackbrett und brachiale Gitarren. "Der Morgenstern" trommelt, paukt und treibt "Flex den Biegsamen" an die Drehleier und "Die Lutter" an den Trumscheid. Unter den Gauklerkitteln schimmern Ritterrüstungen, Blech auf den Schultern, Jahrmarktstrachten. "In Extremo" spielt einen Mix aus Mystik und Metal, zwischen "Neuer deutscher Härte" und alter Spiel-mannstradition. Der kauzigen Truppe ist mittlerweile das gelungen, was ähnlich gestrickte Bands wie "Rammstein" oder "Subway to Sally" vorgemacht haben: den hastigen Satz von den klapprigen Bühnen der Mittelaltermärkte in die deutschen Verkaufscharts. Doch trotz Erfolg und Bekanntheit ist "In Extremo" grimmig geblieben. Besonders die Texte über den mittelalterlichen Melodeien mit Nyckelharpa, Bassgitarre und lateinischen Chören klingen mannhaft und martialisch: "Wenn die Tage länger werden, Spinnen ihre Netze ziehn, wenn alle Worte schon gesagt, dann ist es an der Zeit zu fliehn." Selbst die Liebeslieder sind ohne ein duseliges Wort verfasst: "Nur du bist meine Königin, die raubt mir den Sinn und tötet meinen Schmerz". Oder: "Alle Fröhlichkeit schwindet, Trübsinn und Melancholie haben alle Herzen ertürmt." Kein Wunder dass die Alben Titel wie "Weckt die Toten", "Der Galgen", "Hameln" und "Verehrt und Angespien" tragen. Die aktuelle Platte steht stellvertretend für den Werdegang der Band: Es ist das siebte Album der sieben Berliner Musiker, die bereits seit sieben Jahren dem eigenen Pathos frönen und sich auf der Bühne selbst inszenieren. In Saarburg stapfen "Flex der Biegsame", "Die Lutter" und "Der Morgenstern" mit "Dr. Pymonte", dem "Langen" und "Yellow Pfeifer" vor düster-deutscher Kulisse. Im Hintergrund ist ein Wald gemalt, Gerippe schleichen darin umher. Die raue Stimme des "letzten Einhorns" erzählt von "König Nimrod" und "Herrn Mandarin". Dann ein François-Villon-Gedicht aus dem 15. Jahrhundert: "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund, ich schrie mir schon die Lungen wund." Der Sänger stemmt sich auf die Boxen, tänzelt, zuckt und harrt: Während sein rotes Beinkleid flattert, nimmt er feierliche Posen an. Keine Götterdämmerung, kein Brimborium, kein Mittelaltermummenschanz. Sondern große Gesten, Feuer, schlichtweg Rockmusik. Kostüme und Requisiten auf der Bühne mögen Beiwerk, Zitat, ja Erinnerungsfetzen sein. Vom Holz der Dudelsäcke stieren Fratzen, böse Geister geschnitzt und blank poliert. Pyroblitze zucken. Das finstere Jahrmarktreiben packt das Publikum. Hier treffen sich Heavy Metal-Fans und Rollenspiel-Spieler. Manche tragen Wams und spitze Schuhe, andere Kluft und lange Zöpfe. "In Extremo" begeistert die Szene - und behagt: mit mystischer Mischpoke.

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