Neue Ideen, bewährte Strukturen

Luxemburg · 16 Prozent aller Besucher der Philharmonie in Luxemburg kommen aus Deutschland. Viele sehen dem neuen Programm für 2017/18 schon jetzt mit Spannung entgegen.

 Auf diese Künstler dürfen Musikfreunde sich in der kommenden Saison freuen: (von links) Sofi Jeannin, Mitsuko Ushida, Jonas Kaufmann und Wynton Marsalis. Fotos (4): Philharmonie

Auf diese Künstler dürfen Musikfreunde sich in der kommenden Saison freuen: (von links) Sofi Jeannin, Mitsuko Ushida, Jonas Kaufmann und Wynton Marsalis. Fotos (4): Philharmonie

Foto: Sofi Jeannin photo: Christophe A (g_kultur

Luxemburg Ein bisschen Selbstlob war schon dabei, und dafür gibt es auch ein paar gute Gründe. Jedenfalls pries Guy Arendt vom Luxemburger Kulturministerium die "definitive Erfolgsgeschichte" der Philharmonie und lenkte dann um zu den Schüler-/Studienprogrammen des Hauses auf dem Kirchberg und zur Förderung junger luxemburgischer Künstler. Einer von ihnen, Christoph Sietzen, umrahmte denn auch die Pressekonferenz höchst virtuos mit meist harten Schlagzeug-Rhythmen. Außerdem nahm Arendt auch die Regionen östlich der Sauer ins Visier. Immerhin kamen vergangenes Jahr gut 16 Prozent der 190 000 Besucher aus Deutschland, das sind mehr als 30 000. Im Vergleich dazu dümpeln die Besucherzahlen aus Belgien und Frankreich nur im einstelligen Prozentbereich. Die deutsche Besuchergruppe ist für die Philharmonie eindeutig ein wichtiger Faktor.Angesichts der allgemeinen Lobgesänge, in die auch Kuratoriums-Vorsitzender Pierre Ahlborn einstimmte, ist es fast erstaunlich, dass es die Philharmonie nicht nur beim guten Alten belässt, sondern an neuen Konzepten feilt - freilich im Rahmen bewährter Strukturen. Fast programmatisch prangt auf einer der ersten Seiten im Saisonprogramm ein Foto vom Orchestre Philharmonique, dessen Chef Gustavo Gimeno kürzlich seinen Vertrag bis 2022 verlängerte. Tatsächlich ist das OPL als echtes Hausorchester permanent im Programm präsent. Allerdings findet die Saisoneröffnung am 14. September mit dem Londoner Royal Philharmonic Orchestra unter Charles Dutoit statt - und, vor allem, mit Martha Argerich. Die Klavier-Größe aus Südamerika wird Ravels subtiles G-Dur-Konzert spielen. Auch sonst spart die Philharmonie nicht mit Prominenz. Generaldirektor Stephan Gehmacher führte Mitsuko Ushida ins Feld, die in drei Spielzeiten sämtliche Schubert-Sonaten aufführen wird. Außerdem beehren Jonas Kaufmann und Diana Damrau die Philharmonie, und Altmeister Bernhard Haitink wird zum ersten Mal auf dem Kirchberg dirigieren.Das Gerüst steht im Philharmonie-Programm. Die beliebten Reihen bleiben, allenfalls da und dort überarbeitet. Nach wie vor können sich die Besucher auf die "Grands rendez-vous", freuen, auf die "Aventure"-Serie der OPL, auf "Grands orchestres" und "Grand chefs" (unter anderem mit Haitink), auf "Grandes voix" und "Grands solistes". Die "Voyage dans le temps" bietet immerhin Magdalena Kozena auf und lockt mit Emanuelle Haim und ihrem "Concert d'Astrée". Die Reihen Kammermusik und Streichquartett sind wieder dabei, "Jazz and beyond" meldet sich erneut und die nach wie vor empfehlenswerten "rising stars" tun es ebenso. Schließlich gehen die "rainy days" unter Leitung von Chefdramaturgin Lydia Rilling in eine neue Runde. "How does is feel?" lautet das Motto im Neuen-Musik-Festival, das diesmal ganz Avantgarde-unüblich auf Emotionen setzt. Dass unter solchen Vorzeichen die Serien für Familien, für Kinder und Jugendliche bleiben und sogar noch ausgebaut werden, versteht sich.All das ist indessen nur ein Aspekt im Philharmonie-Programm. Im Detail hat das Philharmonie-Team am Konzept intensiv gefeilt. Die Reihe der "Artists in Residence", diesmal mit Sopranistin Anna Prohaska, Dirigent Paavo Järvi und Pianist Jean-Francois Zygel, hat man durch "Orchestras in Residence" erweitert - immerhin mit dem London Symphony Orchestra unter Simon Rattle und dem Jazz at Lincoln Center Orchestra mit Wynton Marsalis. Genreübergreifend präsentiert sich die neue Konzertreihe "Urban", unter anderem mit Francesco Tristano, der einst als junger Pianist in Trier auftrat und jetzt ein international renommierter Künstler ist. Und im "red bridge project" erarbeiten Philharmonie, Mudam und Grand Théâtre mit Choreografin Anne Teresa De Keersmaker ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Tanz, Performance, Film und bildender Kunst. Schließlich betont die Philharmonie ausdrücklich die Verbundenheit mit dem Luxemburgischen Musikleben, die der damalige OPL-Chef Emmanuel Krivine vor einigen Jahren angemahnt hatte. Ob die Anbindung luxemburgischer Künstler unter den gegebenen Umständen noch entwicklungsfähig ist, muss vorläufig offen bleiben.Weitere Informationen auf <%LINK auto="true" href="http://www.philharmonie.lu" text="www.philharmonie.lu" class="more"%>Extra: ZAHLEN ZUR PHILHARMONIE LUXEMBURG FÜR 2016

Neue Ideen, bewährte Strukturen
Foto: Mitsuko Ushida photo: Sébastien (g_kultur
Neue Ideen, bewährte Strukturen
Foto: Jonas Kaufmann photo: Julian Har (g_kultur
Neue Ideen, bewährte Strukturen
Foto: Wynton Marsalis photo: Rob Wayme (g_kultur

In der Philharmonie gab es 2016 insgesamt 497 Veranstaltungen, 477 Veranstaltungen außerhalb (OPL on tour, Schulworkshops), 348 Events und Workshops richteten sich an junge Hörer. 16 046 Kinder aus 99 Schulen besuchten die Veranstaltungen für junges Publikum. 67 Prozent der Veranstaltungen richteten sich auch an junges Publikum. Von den 191 705 Besuchern (+16,51 Prozent) waren 77,45 Prozent aus Luxemburg, 16.13 Prozent aus Deutschland, 3,77 Prozent aus Frankreich und 2,65 Prozent aus Belgien. Die Philharmonie registrierte 2,28 Millionen Klicks auf "philharmonie.lu". Es gibt 144 Kooperationspartner international.

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