Noch lange nicht verheilt

Der "Porsche-Unfall" ist in der Eifel auch nach zehn Jahren noch ein Begriff. Die tödliche Kollision auf der B 51 bleibt eine offene Wunde, nicht zuletzt, weil der Verursacher nie gefunden wurde. Bei Manfred Reuters Roman "Fluchtwunden" liefert der lange verjährte Vorgang die reale Folie für eine fiktive Geschichte.

Hillesheim. (DiL) Wie sehr sich Wirklichkeit und Roman vermischen, zeigt Autor Manfred Reuter gleich zu Beginn. Die Aussagen seines fiktiven Polizei-Kommissars Gerhard Faust entspringen fast wortgetreu einem Text, den der TV-Redakteur Manfred Reuter vor zwei Jahren über den realen Prümer Polizei-Kommissar Gerhard Kauth schrieb, als er die aufwändige, aber vergebliche Aufklärungsarbeit in Sachen "Porsche-Unfall" resümierte. Am 19. September 1998 starben auf der B 51 bei Neuendorf zwei junge Männer aus Nimshuscheid und ein holländischer Tourist. Nach Zeugenaussagen sollte ein silberner Porsche-Boxter durch gefährliche Überholmanöver die Katastrophe verursacht haben. Aber trotz fünfjähriger Ermittlungsarbeit, trotz Massen-Fahrzeugüberprüfungen, trotz Militär-Überwachungsvideos und dem Einsatz von Hypnose bei der Zeugenvernehmung: Der mögliche Verursacher blieb unbekannt. Im Zuge der Fahndung geriet lokale wie überregionale Prominenz ins Visier, hagelte es anonyme Beschuldigungen. Letztlich verliefen alle Spuren im Sand.Diese schmerzliche Misserfolgs-Geschichte bildet die eine, bodenständige Hälfte von Reuters Roman. Die andere, wichtigere, ist die erfundene, über die Protagonisten des Unglücks, über Schuld und Sühne, Fügung und Verstrickung. Da sind die Fragen komplizierter, und die Antworten entziehen sich den simplen Kategorien von gut und böse, die der reale Fall doch so nahe legt. Der Unglücks-Porsche wird bei Reuter von einer jungen Frau gesteuert, einer erfolgreichen Pop-Sängerin, hinter deren gestylter Fassade sich eine gestörte, von Eifeler Kindheits-Traumata zerfressene Persönlichkeit verbirgt. Fraglos auch ein Opfer, wie fast alle, die in das schicksalhafte Geschehen hineingezogen werden: Die Unfall-Toten, ihre Angehörigen, die verzweifelten Fahnder. "Es ist sinnlos, dem Schicksal zu grollen, es nimmt keine Klagen an": Dieses Marc-Aurel-Zitat istdem skeptischen Werk vorangestellt. Konsequent, dass am Ende kaum einer überlebt - und wenn, dann nicht unbeschadet.Reuter erzählt seine Geschichte in einer geschickten, die Handlung vorantreibenden und Spannung aufbauenden Schnitt-Technik. Handwerklich hat er seit seinem Faction-Erstling "Der Kirchenmann" zugelegt. Weniger Zeigefinger, mehr Mut zur Irritation. Die gewachsene erzählerische Distanz macht den Roman erwachsener - anders als mancher verbale Overkill, der beim Versuch entsteht, Dinge besonders blumig zu formulieren. "Fluchtwunden" ist im Grunde ein psychologischer Gesellschafts-Roman. Veröffentlicht wird er in einer Krimi-Reihe. Vielleicht hat das den Autor dazu genötigt, der Handlung noch ein paar recht überflüssige Mord- und Totschlagselemente bei Nebenfiguren aufzupropfen. Was nichts daran ändert, dass sich die Lektüre allemal lohnt. "Fluchtwunden" von Manfred Reuter, KBV-Verlag Hillesheim, ab sofort im Buchhandel.

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