Operation geglückt - Publikum entzückt

Schauspielerin Iris Berben hat am Samstag beim Eifel-Literatur-Festival, präsentiert vom TV, aus der Biografie ihres großen Kollegen Alexander Granach vorgetragen - und einem fast vergessenen Autor eine Menge neuer Leser verschafft.

Prüm. Erstaunlich, wie leise 600 Menschen sein können. Dabei sitzt vorne doch nur eine 57-jährige Frau und liest aus einem Buch vor, dessen Autor nicht jedem vorher unbedingt ein Begriff gewesen sein dürfte.Aber die Frau, die da sitzt und liest, ist Iris Berben, und die weiß, was sie tut. So konzen-triert wie das - sehr gute - Publikum ist auch ihre Lesung mit Auszügen aus der Autobiografie von Alexander Granach. Der hat ihr auch eine schöne Vorlage geliefert, eine Lebensgeschichte voller Kraft und Humor, starker Bilder und Charaktere. Und so dauert es nicht lange, da ist die öffentliche Person Berben hinter ihrer Kunst verschwunden, hat man vergessen, dass man sich in der Prümer Hauptschulhalle befindet, einem eigentlich viel zu großen, kühlen Kubus, der so gar nichts Literarisches hat: "Ich schätze das hoch ein", hatte die Vorleserin zu Beginn gesagt, "dass man sich an einem Samstagabend in dieser wirklich schönen Halle hinsetzt und zuhört."Alexander Granach: jüdischer Bauernsohn aus Ostgalizien, 1890 geboren, kleingewachsen und krummbeinig, Erstberuf Bäckergeselle. Und dennoch schaffte es dieser Mann dank seines Talents und seines unbändigen Willens bis auf die großen Theaterbühnen und bis nach Hollywood (der TV berichtete). Iris Berben liest: wie Granachs Eltern sich fast entzweit hätten - und neun Monate nach der Versöhnung der Sohn zu Welt kommt, das neunte Kind und nicht das letzte, weil der ostgalizische Mensch wie die Erde des Landes sei: ein bisschen faul - und fruchtbar. Wie der junge Bäckerlehrling die erste Liebe erfährt. Und seinen ersten Theaterbesuch: "Was für eine Welt... welch zauberisches Wunder... hier will ich leben!"Sie liest weiter, ohne Pause, ohne Brimborium, aber mit viel Empathie, und schließlich kommt sie zu der Episode, in der sich Granach in einer hochriskanten Operation die Beine brechen lässt, um sie richten zu lassen, um sich auf der Bühne nicht mehr sorgen zu müssen, dass jemand darüber lacht. "Alles Krumme kann man gerade machen", hatte ihm sein Vater gesagt. Und falls doch nicht, falls die Operation misslingen sollte, dann bleibt nur noch der Revolver...""Und das Krumme wurde gerade", heißt der erlösende letzte Satz. Operation gelungen, Publikum beglückt. Iris Berben lehnt sich zurück. Großer, anhaltender Applaus, den sie mit offensichtlicher Freude entgegennimmt. Extra Reaktionen: Dass dieser Abend der von Festivalchef Josef Zierden gewünschte "Volltreffer" war, beweisen auch die Stimmen im Anschluss: "Ich bin da richtig reingetaucht", sagt Ingrid Kirsch aus Prüm. "Ich konnte mich gar nicht satthören und sattsehen." Man wolle jetzt einfach wissen, wie Granachs Geschichte weitergegangen sei, sagt eine andere Besucherin. Damit ist sie nicht allein: Am Ende des Abends ist der Verkaufstisch der Buchhandlung Hildesheim leergefegt. (fpl)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Aus dem Ressort