Orgelbauer mit Selbstbewusstsein

BITBURG. In einem großen Konzert wurde die neue Orgel der Bitburger Liebfrauenkirche der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Instrument, das schon bei seinem Äußeren den Mut des Erbauers und des Auftraggebers dokumentiert.

Mangelndes Selbstbewusstsein kann man Claudius Winterhalter, dem Erbauer der neuen Orgel in der Bitburger Liebfrauenkirche, sicher nicht vorwerfen. Er selbst versieht sein neuestes Opus mit den Prädikaten "wunderbar", "etwas ganz Besonderes", und zitiert Aussagen, nach denen sein Instrument "zum Orgelstolz der Region werden könne." Sicherlich ein notwendiger Charakterzug für einen Handwerksmeister, der es wagt, neue, ungewohnte Wege bei der Gestaltung seiner Instrumente zu gehen. Die neue Orgel scheint auseinander zu streben, sich nach oben hin zu öffnen. Die Seitenwände beschreiben einen Kreisbogen, dessen Radius 32 Meter misst. Dominiert wird das ganze von einer zentral angebrachten Stele, die von Armin Göhringer mit der Kettensäge bearbeitet wurde. Moderne Kunst also an einem traditionellen Objekt. Man kann nicht umhin, sowohl dem Erbauer als auch dem Auftraggeber Mut zu bescheinigen.Zwei Feuerproben am Weihetag

Das Aussehen einer Orgel ist eine Sache, wenngleich eine sehr wichtige. Wie aber ist es mit den Klang? Am Weihetag hatte das Werk gleich zwei Feuerproben zu bestehen. Nach einem feierlichen Gottesdienst gab es am Nachmittag ein großes Konzert, bei dem Domorganist Josef Still die klanglichen Möglichkeiten präsentieren sollte. Dass die Bitburger von ihrem Instrument, das eine sehr schwindsüchtige und technisch angeschlagene Vorgängerin ersetzt, begeistert sein würden, war zu erwarten. Still hatte zu diesem sehr gut besuchten Konzert ein Programm zusammengestellt, das - passend zur Orgel - nicht ganz gewöhnlich war. Kein großes, strahlendes Orgelwerk, etwa von Johann Sebastian Bach, sollte erklingen. Vielmehr eröffnete die Fantasie f-Moll, KV 608, von Wolfgang Amadeus Mozart, eigentlich verfasst für eine Flötenuhr, den musikalischen Reigen, gefolgt vom "Cantabile" aus der sechsten Orgelsinfonie von Charles Marie Widor. Bach war mit dem Concerto in a-Moll, BWV 593, die Übertragung eines Violinkonzertes von Antonio Vivaldi, vertreten. Eine "klassische" Komposition zu einer Orgelweihe war lediglich die "Suite du premier ton" des französischen Barockmeisters Jacques Boyvin, in der die Gelegenheit bestand, die klanglichen Möglichkeiten des neuen Instrumentes vielfältig vorzustellen. Den Abschluss bildete Joseph Reinbergers F-Dur Konzert für Orgel und Orchester, bei dem Still das Collegium Musicum aus Trier unter der Leitung des Bitburger Organisten Thomas Netter zur Seite stand. Wenn man die Disposition, also die Registerzusammenstellung der neuen Orgel studiert, fällt auf, dass eine große Anzahl von Stimmen vorhanden ist, die sich für den solistischen Gebrauch eignen. Ergeben aber diese Solisten auch einen runden Gesamtklang? Kantor Netter hatte in der Festschrift geschrieben, es werde ein französisch-romantischer Stil angestrebt mit einem barock-glänzenden Hauptwerk. Diesen Glanz allerdings konnte man nicht wirklich finden. Sicherlich auch bedingt durch die nicht gerade förderliche Akustik, die zumindest in der vollen Kirche herrscht. Sie hat Kraft in ihrem Klang, besonders wenn die voluminöse Posaune des Pedals mitspielt. Aber die innere Geschlossenheit, die Strahlkraft, die man von einem "Orgelstolz der Region" erwarten kann, wollte sich nicht zeigen. Wohlgemerkt: Die Bitburger Orgel ist zweifellos ein schönes Instrument, dessen Facettenreichtum man erst in der Zukunft wirklich ergründen kann. Dann wird sich auch zeigen, ob der Titel "Orgel-Furore", wie die neue, am 15. Oktober beginnende Konzertreihe in der Liebfrauenkirche heißt, gerechtfertigt ist.

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