Oscar unter Bomben

LOS ANGELES. Das Drehbuch zur Präsentation der Goldstatuetten wird umgeschrieben, der rote Teppich vor dem Kodak-Theater in Hollywood eingerollt. Keine Interviews und Fototermine vor der Show. Doch stattfinden soll die 75. Oscar-Verleihung an diesem Sonntag auf jeden Fall.

Julia Roberts, Halle Berry oder Nicole Kidman werden durch einen Seiteneingang in den Saal schlüpfen: Glitzernde Diamant-Diademe und großzügige Dekolletes beim Einmarsch der "Gladiatoren" für ein Millionenpublikum ausgiebig zur Schau zu stellen, wenn sich vielleicht zeitgleich amerikanische und irakische Soldaten töten und verwunden, halten die Organisatoren für "unangemessen." Dennoch: "The show must go on." Ausgefallen sind die "Academy Awards" in ihrer Geschichte bisher nie, lediglich verschoben wurden sie drei Mal: 1981, nach einem Attentat auf den damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan. 1968 nach der Ermordung des farbigen Bürgerrechtlers Martin Luther King und 1938, nachdem eine massive Überschwemmung in Los Angeles für nasse Füsse der Stars gesorgt hätte. Auch der Zweite Weltkrieg konnte die Filmpreis-Gala nicht aus der Bahn werfen. "Die Zeremonie war immer auch ein Spiegel der Zeiten, in denen sie stattfand," verteidigten jetzt die Sprecher des Organisatonskomittees die "Weitermachen"-Parole. Wer schreibt schon gerne 75 Millionen Dollar ab?

Ein wichtiger Grund für das Durchhalten ist natürlich auch, dass eine Verschiebung oder Absage ein enormes finanzielles Loch in die Kassen der Veranstalter und des Fernseh-Senders ABC reißen würde, der die exklusiven Übertragungsrechte besitzt. 75 Millionen US-Dollar wären dann abzuschreiben. So richtet man sich deshalb auf ein rund dreieinhalbstündiges Verleihungs-Drama ein, über dem die dunklen Wolken des Krieges schweben werden. Das Publikum will man dabei während der Zeremonie über relevante Ereignisse informieren. Allerdings wird dies wohl nicht im Saal oder auf der Bühne geschehen, sondern lediglich durch Einblendungen der ABC-Sendezentrale auf die Fernsehschirme. Kurz fassen - und kein Kommentar zur Politik

Den Präsentator Steve Martin, üblicherweise ein Experte für schräge Komik und rüde Witze, hat die Filmakademie bereits dringend aufgefordert, sich zu mäßigen. All jene Schauspieler, die ihren Berufskollegen die Preise überreichen werden, wurden von den Veranstaltern in dieser Woche ebenfalls dringend gebeten, sich kurz zu fassen - und die Bühne nicht für politische Kundgebungen zu nutzen. Unklar war gestern noch, ob erklärte Kriegsgegner wie Sean Penn oder Martin Sheen in den Saal finden würden: Diese hatten bis zuletzt die Existenz einer "schwarzen Liste" beklagt, nachdem die Filmakademie ihnen mitgeteilt hatte, dass man ihre Kartenwünsche wegen des knappen Kontingents diesmal "leider nicht" berücksichtigen könne. Doch auch ohne Protestaktionen auf der Bühne oder im Saal glitzert beim diamantenen Jubiläum der Show nicht alles so, wie es sich die Akademie immer wünscht. Preiskandidat Roman Polanski, nominiert für den Oscar als bester Regisseur für sein Werk "Der Pianist", muß wegen eines in das Jahr 1977 zurück reichenden Vorwurfs des sexuellen Kindesmissbrauchs mit unmittelbarer Verhaftung rechnen, sollte er seinen Fuß auf amerikanischen Boden setzen. Die Schauspielerin Queen Latifah, für einen Nebenrollen-Preis im Film-Musical "Chicago" nominiert, saß bereits hinter Gittern: Kurz vor dem Kinoauftakt des Films wurde sie wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen. Und Nicole Kidman, heiße Favoritin nach ihrer Rolle in "The Hours", wurde von Boulevardmagazinen nachgesagt, dass sie und der verheiratete Schauspieler Jude Law während der Dreharbeiten mehr als nur Kollegen waren. Sie dementierte heftig. Wie heißt es doch so schön bei der Akademie? Die Oscar-Verleihung sei immer auch ein Spiegel der Zeiten...

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