Perlen für die Ohren

TRIER. Von einem neuen Trend und einem Boom war vor drei Jahren die Rede. Hörbücher hielten Einzug in die Regale der Buchhandlungen. Auf Buchmessen darf das neu entdeckte Medium seitdem nicht fehlen. Dennoch ist die Fan-Gemeinde des Hörbuchs noch relativ klein.

"Sex war mit ihr Eins mit Sternchen... Eis mit Sahne... das ist das, was, was Naddel am besten kann." Dieter Bohlen redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, nimmt kein Blatt vor den Mund - und das scheint dem Publikum zu gefallen. Die Vertonung seines Buches "Nichts als die Wahrheit" ist ein Erfolg. Sogar auf den Wühltischen eines Discountsupermarkts war die Scheibe zu finden. Die CD des geschäftstüchtigen Pop-Produzenten ist einer der seltenen Glückstreffer der Hörbuch-Branche, zumindest was die Verkaufszahlen angeht. Ansonsten haben es Hörbücher schwer mit der Käufergunst, ausgenommen das Angebot für Kinder."Meistens werden nur literarische Perlen als Hörbuch umgesetzt. Der Wiedererkennungswert ist ganz wichtig. Der Titel des Hörbuchs muss den Leuten etwas sagen", sagt Martin Paff, der seit 1999 im Internet das unabhängige Informationsportal "Hoergold.de" anbietet.Am besten verkaufen sich Krimis

Deshalb gingen die Hörverlage auch dazu über, Audiobooks, wie sie neudeutsch heißen, gleichzeitig oder kurz nach der Buchveröffentlichung zu verkaufen. Gut verkauften sich Krimihörspiele, beispielsweise von den Romanen von Henning Mankell und Donna Leon, oder Bestseller wie "Die Päpstin".Gewöhnlich sind die Auflage und die Zahl der verkauften Audiobooks aber niedrig. Der Marktführer HörVerlag produziert die meisten Hörbücher in einer Auflage von 3000 bis 5000 Exemplaren. Ähnliche Treffer wie 2001 mit den vier Harry- Potter-Geschichten, die sich millionenfach verkauften, oder mit der Neuauflage des Hörspiels "Der Herr der Ringe" konnte der Verlag im vergangenen Geschäftsjahr nicht landen. Doch Heike Völker-Sieber, Pressesprecherin des HörVerlags, ist sich sicher: "Das Hörbuch hat im Gegensatz zum kränkelnden Genre-Buch ein Riesenpotential."Um dieses auszuschöpfen, muss das Hörbuch zunächst eine nicht gerade unbedeutende Hürde nehmen: Es muss bekannter werden. "Wir gehen davon aus, dass nur etwa sieben Prozent der Bevölkerung wissen, was ein Hörbuch ist", sagt Heike Völker-Sieber.Die Zielgruppe des HörVerlags ist klar definiert: "Unsere Kunden sind tendenziell beruflich erfolgreich, verfügen über eine höhere Bildung und sind kulturell interessiert", so Völker-Sieber. Die Geschäftsfrau zum Beispiel, die auf Autofahrten von Termin zu Termin "Moby Dick" hört. Oder der Manager, der sich in der Badewanne auf die "Schatzinsel" von R. L. Stevenson entführen lässt.Das Hörbuch ist also anscheinend kein Produkt für die breite Masse. Das zeigt auch der geringe Marktanteil am gesamten Absatzvolumen im Buchhandel, der bei etwa einem Prozent liegt. Martin Paff von "Hoergold.de" ist deshalb der Meinung, dass bisher nicht von einem Trend zum Hörbuch oder gar von einem Boom die Rede sein konnte. "Audiobooks werden zu wenig gekauft. Einen Boom gab es allerdings bei der Anzahl der Verlage und der Zahl der Titel." Bis Mitte der 90er Jahre habe es nur wenige Verleger in Deutschland gegeben, die Hörbücher vor allem für Menschen mit Sehschwächen produzierten, nun seien ihm rund 400 Unternehmen bekannt, die Hörbücher anbieten.Mit kompletten Audiobook-Programmen sind rund 204 Verlage bei Hoergold.de erfasst. Die Zahl der Titel auf dem Markt schätzt Paff auf 8500 bis 10 000. "Manche Buchläden haben Hörbücher in ihr Sortiment aufgenommen, weil sie ein toller Geschenkartikel sind. Dass sie aber eher selten gekauft werden, liegt sicher auch an dem hohen Preis." Um die 20 Euro koste ein Hörbuch durchschnittlich.Die Hörbuchverlage haben das Problem erkannt, und einige reagieren mit günstigeren Angeboten. Der Audio Verlag (DAV) hat für dieses Frühjahr eine Serie von Kriminalhörspielen zum Sonderpreis herausgegeben. Für Georges- Simenon-Fans gibt es "Maigret & Co." in einer Sonderedition mit zehn CDs, die der Audio Verlag in Kooperation mit dem SWR und dem WDR produziert hat.Die meisten DAV-Hörbücher entstehen in Zusammenarbeit mit den beiden Rundfunkanstalten. Diese Kooperationen bergen einen großen Vorteil für die Verlage: Das Hörspiel, die Lesung und das Feature, die wichtigsten Genres des Hörbuchs, sind klassische Sendungsformen des Radios. Hörspiele wurden schon in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Radio gesendet und erlebten ihren Höhepunkt in den 50er und 60er Jahren. Bekannte Autoren wie Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll und Friedrich Dürrenmatt schrieben Stücke für den Äther. Die Rundfunkanstalten verfügen daher über wahre Schätze in ihren Archiven, darunter auch Original-Töne längst verstorbener Autoren wie Erich Kästner oder Thomas Mann.Gut, dass es Rundfunkarchive gibt

Einige Hörbuchverlage haben diese Schätze zusammen mit den Rundfunksendern gehoben, für das Radio neu bearbeitet und auf CD oder Kassette herausgebracht. Die Kooperation bietet weitere Vorteile: Die Rundfunkanstalten verfügen über Hightech-Studios und qualifizierte Sprecher. Eigene Produktionen können die Hörbuchverlage viel Geld kosten, insbesondere wenn ein Hörspiel eingespielt wird, bei dem mehrere Sprecher, und ein Drehbuch sowie Geräusche und Musik benötigt werden. Daher auch der hohe Preis der Hörbücher.Auch die Rechte sind ein Hindernis. "Auf Hörbüchern lasten acht, neun Rechte", sagt Martin Paff von "hoergold.de", "es ist auch immer schwieriger, diese Rechte zu bekommen." Während die Buchverlage vor einigen Jahren die Rechte für die Umsetzung eines Buches als Hörbuch relativ schnell vergeben hätten, witterten sie mittlerweile das Geschäft und verlegten selbst Audiobooks.Hörbuchverlage und -kenner deuten die Zeichen für ihre Branche positiv, trotz der vielen Handicaps. Auch Martin Paff sagt: "Ich bin mir ganz sicher, dass Audiobooks immer bekannter werden."Auf der Leipziger Buchmesse vom 20. bis 23. März bildet das Hörbuch wieder einen Themenschwerpunkt. 100 Aussteller informieren über neue Titel und Trends in der Branche. Wie in den vergangenen Jahren wird der Hörkules-Hörbuchpreis verliehen. Zeitgleich zur Messe in Leipzig soll eine Hörbuchmesse im Internet geschaltet werden. Unter http://leipzig.hoergold.de werden Neuerscheinungen mit kurzen Hörproben geboten.

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