Picknick mit den Bayern-Hassern

LOSHEIM. Ein langer Tag mit einem großen Abend: Bei "Tag am See" im Strandbad Losheim haben die Fantatischen Vier, Sportfreunde Stiller und viele andere Bands den Festivalsommer ausklingen lassen. Rund 5000 Fans feierten mit Smudo & Co.

Thomas D. steht im Nebel, in grünes Licht getaucht. Der Fanta-Vier-Sänger zieht sein "Picnic Enemy"-T-Shirt aus, malt seine Apokalypse in den kalten Sommerabend: "Mein Schwert", Teil eins seiner Trilogie. Bedeutungsschwanger bis kurz vor der Entbindung. Ein paar Minuten hält ein junger Mann vor der Bühne mit - oben ohne trotzt er der Kälte. Aus der Entfernung fühlt es sich nach schwerer Erkältung an, aus der Nähe wohl auch. Der Fan zieht sich wieder an, auch wenn Thomas D. noch lange nicht am Ende ist. Schließlich geht es um Spaß und nicht um Selbstkasteiung. Oder um beides? Der düstere Solo-Trip des Wahl-Eifelers Thomas D. hat hat kaum etwas mit dem Rest des Fanta-Vier-Auftritts zu tun. Wenn der "Picknicker" kommt, ist die Stimmung da. Bei "MfG", dem kurzerhand umbetitelten "Tag am See" (bekannt als "Tag am Meer"). Oder auch bei "Was geht?", bei dem die Schwaben die Chemical Brothers zitieren. Wenn Michi Beck bei "Pipis & Popos" dagegen spontan mit Micky-Maus-Stimme "Live is Life" von den Ösi-Opas "Opus" singt, fragt sich mancher, ob Helium-Zufuhr nicht doch schädlicher ist als bislang gedacht. Der vom TV präsentierte "Tag am See" im Strandbad in Losheim vereinigt deutsche Popstars. Die Fantastischen Vier haben aus dem Hip-Hop den Mainstream erobert. Viele Fans sind über 30. Die weiten Hosen und Bronx-großen Gesten haben andere "Träger" gefunden: Das F4-Publikum wartet nicht mehr an den Haltestellen der Kleinstadt darauf, dass der Bus vorbeifährt oder der Tag oder der Traum. Die Sportfreunde Stiller und Kettcar haben sich ihre Träume erfüllt. Sie kommen aus dem Indie-Rock, wenn auch aus verschiedenen Ecken. Und da war mit großen kommerziellen Erfolgen nicht unbedingt zu rechnen. Die gemeinsamen Nenner bei "Tag am See": Alle Top-Acts singen oder rappen auf Deutsch (Ausnahme sind die Reggae-Klänge von Patrice und seiner "Shashmani Band"). Alle haben sich ihren Erfolg auf den Bühnen hart erarbeiten müssen. Und doch liegen Welten dazwischen. Samstag, halb elf. Die Sportfreunde Stiller werden gefeiert, nur ein paar vereinzelte F4-Fans murren. "Heute ist ein schöner Tag. Mir geht es gut, weil der grandiose FC Bayern wieder einen Schritt zum Meistertitel gemacht hat", findet "Sportfreunde"-Sänger Peter Brugger und bekommt reichlich Pfiffe. Fußballklubs spalten eben. Genau wie Bands. Für einen solchen Satz hätte ihn "Hosen"-Sänger Campino vielleicht von der Bühne geblutgrätscht - gut, dass die Düsseldorfer einen Tag vorher gespielt haben. Die "Sportis" gehören nicht zu den Ballacks und Ze Robertos an den Instrumenten, das wissen sie, aber dafür gibt es vollen Einsatz. Bassist Rüde springt aus zwei Meter Höhe von einer Box, landet hart auf dem Bühnenboden, fällt dabei hin. Aber er spielt weiter. Ist ja kein Fußball. Die Münchner sind die Nina Ruges der Indie-Unterhaltung. Motto: Alles ist gut. Und wird noch besser. Mindestens. Aber was gibt es Langweiligeres als ständig zu gewinnen? Wohin, wenn die Sonne keinen Schatten mehr wirft? Wenn das die "gute Seite" ist (so heißt ein Album der Sportfreunde) - wie sieht dann wohl die Hölle aus? Das mögen sich Kettcar-Fans fragen. Bei den Hamburgern geht es selbstreflektierter zu, "befindlichkeitsfixiert", wie Marcus Wiebusch gern singt. Wehmut ja, aber ohne Larmoyanz. Denn da sind sich die Bands einig: Gejammert wird schließlich schon genug.

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