Pilgerfahrt zu Buxtehude

Ob der Titel "Tänze des Lebens und Todes" glücklich gewählt war, bleibt fraglich. Aber Reinhold Richters künstlerische Kompetenz ist unstreitig. In der Trierer Konstantin-Basilika glänzte der Organist vor allem mit Werken von Buxtehude.

Trier. Überflüssiges Etikett! Reinhold Richter hätte den vagen und irgendwie selbstmisstrauisch wirkenden Titel "Tänze des Lebens und des Todes" für sein Orgelkonzert in der Trierer Konstantin-Basilika gar nicht nötig gehabt. Zumal sich auf diesem Umweg Probleme einschlichen, die beim Rang dieses Organisten entbehrlich gewesen wären. Walter Krafts "Totentanz-Toccata" greift den Tonfall Buxtehudes auf, versandet aber in leer laufenden Spielfiguren. Kleine Orgel setzt Grenzen

Den atmosphärischen Zügen von Petr Ebens "Sehnsucht nach dem Tode" setzt die kleine Basilika-Orgel enge Grenzen. Volker Hopfs allzu stark mit Zitaten belastete "Toccata mit Totentanz" und Ernst Ludwig Leitners Chaconne über "Der grimmig Tod" mit ihrer dichten, meditativen Polyphonie haben mit dem grellen, schockierenden und mit Tabubrüchen durchsetzten Totentanz-Motiv wenig gemeinsam. Und sogar Guy Bovets glänzende musizierter "Hamburger Totentanz" trägt außer makabren Kirmesorgel-Assoziationen wenig bei zum "danse macabre". Nicht das Programmkonzept bestach, sondern die Interpretation, nicht der theoretische Überbau, sondern die Musik selber. Mochten die Kompositionen das Thema verfehlen - Reinhold Richters glänzende Technik, sein Klangsinn und seine stilistische Sensibilität verliehen ihnen trotzdem ein scharf gezeichnetes Profil. Brillante Pedal-Läufe

Zu Höhepunkten avancierten die vier Werke von Dieterich (!) Buxtehude. Präludium, Fuge und Ciacona C-Dur: Ein wunderbarer, durchgehender Spannungsbogen von der Brillanz der einleitenden Pedal-Läufe bis hin zur tiefgründigen Emphase der Ciacona, dazu mit einer streng, aber unpedantisch musizierten Fuge. Die Passacaglia d-Moll legt bei Richter alles Akademische ab und weitet sich völlig organisch zu phantasievoller Vielfalt. Und den beiden Ciacona-Kompositionen (e-Moll, c-Moll) gab der Organist einen weichen, vokalnahen Grundzug mit und hebt sie dabei in Klanggebung und Spielweise deutlich voneinander ab. Immer wieder beeindruckt der ruhige, weite Atem der Interpretation, beeindruckt die pointierte Distanz zum kantig-draufgängerischen Buxtehude-Klischee. Die Wiederentdeckung dieses Komponisten zum 500. Todestag ist überfällig.

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