Planet "Bild"

Nichts auf dieser Welt kann den Menschen so in Angst und Schrecken versetzen wie das Unerklärbare. Geschehnisse, die sich unserer Ratio entziehen. Sie wissen schon: Blutende Wände, schwebende Jungfrauen, Menschen die vor laufender Kameras Würmer essen.

Paranormalitäten nennt so etwas die Wissenschaft, und es läuft einem kalt den Buckel herunter, wenn man selbst Zeuge solcher Geschehnisse wird. Das Zeug zum kollektiven paranormalen Schocker hätte eigentlich die Serie, mit der die "Bild"-Zeitung ihre Leser derzeit beglückt. "Unser Planet in Gefahr" prangert es da einem in gewohnt fetten Lettern entgegen, und damit stecken wir auch schon mittendrin in einem dieser beängstigenden paranormalen Erlebnisse. Denn wenn die Klimakatastrophe in "Bild" stattfindet, dann kann das zwei völlig konträr gelagerte Folgerungen zum Schluss haben: 1. Blankes Entsetzen, denn wenn selbst die schon über globale Erwärmung schreiben, ohne sofort über die grünen Öko-Terroristen von Greenpeace zu schimpfen, dann ist der Weltuntergang zum greifen nah, oder 2.) Durchatmen und zurücklehnen: Wenn es in der "Bild" steht, dann ist es sowieso erfunden! Wenn einem allerdings das Zusammentreffen von Ökologie und Springerpresse schon schier das Hirn zerreißen will, dann ist das noch gar nichts gegen die Art und Weise, wie diese Zeitung sich des brisanten Themas annimmt. "Bild" stellt die entscheidenen Fragen zum Klimakollaps: Ist noch ratsam, Bauland in Schleswig-Holstein zu erwerben? Werden wir in Zukunft mehr Geld für wärmere Kleidung ausgeben müssen? Das ist doch die Sorte Lebensnähe, die einem hilft, den Tag des Weltuntergangs gut vorbereitet zu erleben: Wahrscheinlich gibt es demnächst einen Bauplan für die eigene Arche Noah, die zehn lustigsten "Schwimmen zwei Männer durch Berlin-Witze" und die ultimative Sommerloch-Schlagzeile "Arzt verpflanzt Kiemen - Leben unter Wasser jetzt möglich?" Das alles ist denkbar, nur eines nicht - die "Bild" auf Umweltschutzpapier. Das wäre auch zu paranormal.

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