Poker um dein Leben

Bube, Dame, König, Ass - diese vier Karten gehören in (fast) jedes Spiel. Und meistens dreht sich’s in besagten Spielen darum, wer wie viele von diesen höchsten Karten hat.

 Tim Olrik Stöneberg mit Jutta Dolle. Screenshot: Skyroad Films

Tim Olrik Stöneberg mit Jutta Dolle. Screenshot: Skyroad Films

Foto: (g_kultur

Und irgendwie geht's im Film von Regisseur Falko Jakobs und Schauspieler Tim Olrik Stöneberg auch darum, zumindest im übertragenen Sinne: wer ist der König und wer bloß der Bube, zu wem gehört die Dame und wer hat das Ass im Ärmel? Vier Gangstertypen sitzen an einem imaginären Kartentisch und pokern um ihr Leben, im wahrsten Sinne des Wortes. Es handelt sich hier um eine Metapher für die (Lebens-)Situation, in der sich Ben Borkmann, gespielt von Adrian Linke, gerade befindet. Im Kopf spielt er versinnbildlicht durch das Pokerspiel eine illegale Geldübergabe durch. Es gibt einen Händler, einen Komplizen, einen Polizisten und einen Unbekannten. Aber ganz wie im Pokerspiel bestimmen die verteilten Karten, wer unter welchen Umständen wie aus der Lagerhalle geht. Und wer eben nicht. Der in Trier ansässige Schauspieler Stöneberg und Regisseur Jakobs, Kumpel aus Jugendtagen, machen seit 14 Jahren zusammen Filme. Mal kleinere, mal größere Produktionen. Im Sommer 2014 haben sie während zwei Wochen Betriebsferien die Lagerhalle von Jakobs Eltern besetzt, um zusammen mit drei anderen Schauspielern (Jutta Dolle, Adrian Linke und Guido Grollmann) und einer Menge Helfer aus Familien-, Freundes-, aber auch Profikreis, den 75-minütigen Episodenfilm zu drehen. 5000 Euro Produktionskosten, für amerikanische Verhältnisse nicht mal mehr Low-Budget, sondern No-Budget. Vielleicht stehen die Amerikaner deshalb so auf den Streifen: aus gar nichts alles machen. Ganz der amerikanische Traum. Elf Mal gewann der Film bei Festivals in den USA, zwei Mal in Nordirland, einmal immerhin in Deutschland. Gezeigt wurde er noch öfter. Vielleicht sind den Amerikanern aber auch die Figuren sympathisch: ein Draufgänger (Stöneberg), eine Femme fatale (Dolle), ein ängstlicher, offensichtlich hinterrückser Glatzkopf (Grollmann), ein stiller-Helden-Typ (Linke). Altbekannte Rollen aus denen die ganz großen (Film-)Geschichten gemacht wurden. Zugegeben, die Figuren haben auf den ersten Blick keinen wirklichen Tiefgang: Tim Olrik Stöneberg verschlingt symbolhaft einen rotbackigen Apfel in, gefühlt, drei Bissen, Jutta Dolle gibt die stumme, starrende, mysteriöse Verführerin in Lederröckchen, Grollmanns naturgegeben ausdrucksstarkes Gesicht hätte seinen Effekt auch ohne die über-duckmäuserische Körperhaltung gehabt. Linke als der stille Helden-Typ ist, natürlich, still. Und ein Held. Das reicht erstmal. Warum also 14 Mal gewonnen, elf Mal davon im Land der großen Produktionen?Der Film besticht durch eine eigentümliche Ästhetik, keiner überschönen Bildgewalt, keiner durchgesättigten Farbfilterung, keiner überformten Darstellung. Die Lagerhalle, in der sich die Episoden abspielen, ist eben, was sie ist: eine echte Lagerhalle. Mit Europaletten da, wo Europaletten eben stehen, und nicht, wo sie für den Kameramann am wenigsten hinderlich sind oder gut ins Bild passen. Die Schauspieler haben schon optisch Ecken und Kanten, sind nicht mit Botox glatt gebügelt oder das wandelnde optimale Fett-Muskel-Verhältnis. Verglichen mit Hollywoods Traum- und Schaumfabrik eine geradezu ernüchternd ehrliche Optik. Vielleicht, so spekuliert Stöneberg, käme der Film dem amerikanischen Zuschauer besonders europäisch vor, ein Stück deutsche Kultur auf der großen Leinwand. Aber auch für den deutschen Zuschauer wäre der Film eher ungewöhnlich: Ein Episodenfilm in einer Mischung aus Film Noir, Thriller und Kammerspiel im Gangster-Millieu, so fasste Regisseur Falko Jakobs im Mai 2016 das Werk zusammen. Damals waren sie gerade für den dritten Platz beim Neo Noir Film Festival in Los Angeles nominiert. Kategorie Bester Thriller, den Preis haben sie dann gewonnen. Aber auch der Film selbst gewinnt mit der Zeit, weil die Figuren doch vielschichtiger sind, als man ahnen könnte. Weil es eben nur drei Pokerrunden gibt, und Jakobs eine Wendungsmöglichkeit dramatischerweise komplett auslässt. Der Film endet völlig überraschend und lässt einen zurück, mit diesem letzten möglichen Zug, um das Spiel doch noch zu gewinnen. Aber das Spiel ist aus. Mal verliert man eben, und mal gewinnen die anderen. So läuft das - beim Poker.Der Film "A different Set of Cards" ist seit dieser Woche auf DVD erhältlich. Film ab - Die Kinokolumne: "A different set of cards"

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