Prickelnder Champagner

ECHTERNACH. Mit einem außergewöhnlichen Konzert beeindruckte Maria Joao Pires ihr Publikum im luxemburgischen Echternach. Das Konzert fand im Rahmen der Echternacher Festspiele statt.

Maria Joao Pires ist ohne Zweifel eine der unkonventionellsten und besten Pianistinnen der Gegenwart. Sie ist dafür bekannt, in ihren Interpretationen oft intuitiv und unberechenbar zu sein, was für ihre Partner nicht immer einfach ist. Bei diesem Konzert im Rahmen der Echternacher Festspiele trat Pires mit dem brasilianischen Pianisten Ricardo Castro auf. Vier Werke standen auf dem Programm, die Eckwerke waren jeweils von Schubert und für vierhändiges Klavier geschrieben. Das Konzert begann so mit einem temperamentvollen Allegro von Schubert. "Lebensstürme" D 947 zeigte auf virtuose Art, wie attraktiv und kunstvoll vierhändiges Klavier sein kann. Akkordreiches, ostinatives Spiel

Die beiden Künstler machten die Vielschichtigkeit der drei ineinander übergehenden Teile sehr deutlich. Castro führt sicher und geradlinig, doch seinem akkordreichen, ostinativen Spiel entgleitet Maria Joao Pires immer wieder aufs Neue, bricht aus gegebenen Grenzen aus, macht eigene Erfahrungen und kehrt dann wieder zu ihrem Partner zurück. Obwohl sie gleiche Ziele verfolgen, so sind es doch sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Dies wird bei den folgenden zwei Sonaten von Chopin sehr deutlich. Pires spielt als erste solo, und zwar die 3. Klaviersonate op. 58. Ihr Spiel ist wie prickelnder Champagner; aber es sind diese lebendigen Finger, die wahres Feuer in die Interpretation bringen. Dieser Chopin ist unruhig, nach vorne gewand, Pires Spiel ist zielorientiert, drängend, und obwohl sie im Largo innezuhalten vermag, hat der Hörer nie den Eindruck des Verweilens. Wie eine Erlösung bricht das Finale herein, und Pires versteht es hier, Chopins Virtuosität mit ihrer eigenen Interpretationskunst auf schönste Weise zu verbinden. Nach der Pause dann Soloauftritt für Ricardo Castro. Wenn Maria Joao Pires mit den Fingern spielt, so spielt Castro mit den Händen. Sein Anschlag wirkt trotz großer Virtuosität verhaltener, runder und Chopins 2. Klaviersonate erhält dadurch das Aroma eines späten, kraftvollen Burgunders.In jedem Takt schwingt innere Ruhe mit

Castros volles Spiel erzielt seine beste Wirkung in den langsamen, aber energischen Passagen, wie zum Beispiel im Grave-Teil des 1. Satzes oder im Lento. Im Gegensatz zu Pires' vorwärtsdrängender Interpretation schwingt bei Castro selbst in den dynamisch-virtuosen Teilen immer etwas Bedächtiges mit. Das Abrunden der Noten geht einher mit einer gewißen inneren Ruhe, die in jedem Takt mitschwingt. Den offiziellen Abschluss des Konzertes machte die vierhändige Fantasie D 940 von Schubert, die sich nach diesen beiden unterschiedlichen, aber sensationellen Chopin-Deutungen etwas schwer tat. Als Zugabe gab es noch längere Teile aus der "Peer Gynt-Suite" von Edvard Grieg in dessen eigener Bearbeitung für vierhändiges Klavier. Besser als im letzten Schubert ergänzten sich hier die konträren Persönlichkeiten von Pires, die die erste Stimme energisch-drängend spielte, und Castro, der noch einmal genussvoll einen satten, dunklen und in sich ruhenden Klang hervorbringen konnte. Ein wunderbares Konzert, das neben erstklassigen Einzelleistungen bewies, dass selbst verschieden gepolte Interpreten zusammen in ihrem Spiel zu einer sehr außergewönlichen Einheit zusammenfinden können.

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