Puppenlustig

Mag sein, dass wir uns täuschen, aber wir werden den Eindruck nicht los, dass es um die Augsburger Puppenkiste, zumindest fernsehmäßig und bundesweit gesehen, in letzter Zeit ein wenig ruhig geworden ist. Dabei waren doch in der Vergangenheit die Sendetermine der bayerischen Fadenbühne gesetzte Ereignisse, die man sich rot im Kalender angestrichen hat - vordergründig, um den Nachwuchs rechtzeitig vors Gerät zu setzen, in erster Linie aber deshalb, weil man selber die Sendungen nicht verpassen wollte, versprachen sie doch Spaß und Gaudi, die viele derzeit en masse übertragenen Karnevals- und Kappensitzungen, wenn überhaupt, nur mit viel Krampf erreichen.

Narretei und Fädenziehen - da wären wir direkt beim Thema, das uns in diesen Zeilen beschäftigen soll. Um das süddeutsche Marionettentheater wieder ins Bewusstsein zu rücken, nicht nur ins bundesrepublikanische, sondern auch ins globale, möchten wir folgenden Vorschlag machen - wenn auch mit leisem Zweifel im Herzen, ob er tatsächlich in die Realität umgesetzt werden kann. Doch wie sang Undine von Medvey schon 1979 bei Lou van Burg, Carrell hab' ihn selig: "Träume kann man nicht verbieten". Na also. Zurück zum Thema: Wie wäre es, wenn das gesamte Ensemble der Augsburger Puppenkiste ins Weiße Haus nach Washington umzöge? Nun ja, vielleicht nicht die komplette Mannschaft; der Prinz von Pumpelonien, die Opodeldoks und der Schlupp vom grünen Stern dürften Probleme mit den Einreisevisa bekommen, gehören sie doch nicht-westlichen und religiös eher unscharfen Ethnien an. Aber der Rest der Truppe könnte im Oval Office und den angrenzenden Zimmern durchaus für "law and order", pardon, für ein vernünftiges Miteinander sorgen. "Hohlkopf und Scheppertonne" hieß 1973 die erste Folge der Reihe "Don Blech und der goldene Junker"; der Titel klingt nach verdammt aktuellem Reality-Fernsehen aus der US-Regierungszentrale. Auch die "Steinzeitkinder" von 1972 müssen nicht unbedingt das große Wort hinterm eichernen Schreibtisch führen; das tun ja gerade schon ihre realen Nachahmer. Daher gilt: Ein Wechsel ist angesagt, und zwar dringend: "Jim Knopf und Lukas, der Pressesprecher" würden ein tolles Spitzenteam abgeben, und der "Kleine König Kalle Wirsch" gewiss eine gute Figur als Uno-Botschafter machen. Als Verteidigungsminister käme Lord Schmetterhemd in Frage, der als gebürtiger Schotte die europäischen Interessen jenseits des Teiches stets im Auge behalten dürfte. Das Urmel aus dem Eis wäre ein hervorragender Außenminister, verfügt es doch über mehr Auslandserfahrung als all die realen Marionetten in der Regierungszentrale zusammengenommen. Als Erziehungsminister empfiehlt sich das Burggespenst Lülü; da dürfte es keinen großen Bruch zur derzeitigen Amtsinhaberin geben. Und die restlichen Leerstellen wären mit Bill Bo und seinen Kumpanen hervorragend besetzt. Die Zeit der Holzköpfe ist endlich vorbei! Die Fäden würden wieder intelligente Figuren ziehen. Und der Rest der Welt kann sich beruhigt zurücklehnen und den Fernsehapparat einschalten.
Rainer Nolden

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