Radikaler Ritt durchs Musik-Alphabet

Hochklassige Musik muss keine ernste Angelegenheit sein. Niemand hat das in Trier je so augenfällig und brillant demonstriert wie die Wiener Bläser-Combo "Mnozil Brass". Das Publikum im Innenhof des Kurfürstlichen Palais war restlos begeistert von dem vom TV präsentierten Konzert.

Trier. Sie wirken nicht gerade viel versprechend, die sieben Gestalten, die sich mit ihren Blas-Instrumenten auf den Weg zu der völlig leeren Bühne machen. Zwei Schönlinge, ein langhaariger Desinteressierter, zwei Schüchterne, ein dümmlicher Dauergrinser, ein Schwätzer. Oha. Vorsicht, Satire. Die Herrschaften haben es faustdick hinter den Ohren. Sie nehmen nicht nur die Musik auf die Schippe, sondern auch die Musiker. Und vor allem sich selbst.Was dann kommt, ist ein zweistündiger, atemberaubender, origineller, tempogeladener Ritt durch das Musik-Alphabet von Bach, Johann Sebastian über Mercury, Freddy bis Verdi, Giuseppe. Dreimal Trompete, dreimal Posaune, einmal Tuba: Das reicht, um in der fantastischen Akustik zwischen Palais und Basilika einen umwerfenden Klang zu produzieren, auch ohne Verstärkung. Es swingt und walzert, rockt und bluest, dass es eine wahre Wonne ist. Eine Spezialität der sieben Musiker im Alter zwischen 27 und 40 sind wilde Kombinationen. Da beginnt mit Heidis "Holladijo", was sich als Rossinis Tell-Ouvertüre entpuppt, dann aber zwischendurch bei "Rosamunde" landet. Das alles übergangslos ohne Punkt und Komma.Frech, punktgenau, technisch versiert

Da schleppt sich mit allem Pathos Verdis Gefangenenchor auf die Bühne, um dann durch leichte Variation der Melodie bei "So ein Tag, so wunderschön wie heute" im Fußballstadion Station zu machen, nicht ohne dabei das "Ave Maria" oder das bezaubernd schöne Bildnis aus Mozarts "Zauberflöte" zu streifen. Gar nicht zu reden von Alexis Sorbas, der den Florentiner Marsch als Sirtaki tanzt.Das ist frech, trifft auf den Punkt und kommt mit jener technischen Virtuosität daher, die das Spielen mit der Musik erst möglich macht. Da gönnt sich auch jeder ein Solo oder Gusto-Stückchen, um zu zeigen, was er kann - aber dann macht man sich gleich anschließend in einer Jazz-Nummer über den ausgeprägten Drang mancher Kollegen zu solistischen Ausflügen lustig. Und die vertrackte Neu-Rhythmisierung von "Wiener Blut" muss man erst mal so hinkriegen.Die Mnozil Brass weiß nicht nur ihre Instrumente zu bedienen - Nasenflöten-Sextett inklusive -, sondern auch die Stimmbänder. Da singt, jault, blubbert, läutet, fistelt man klassische Melodien und Entertainer-Schlager in gepflegter Mehrstimmigkeit. Absoluter Höhepunkt: eine hinreißende Version der "Bohemian Rhapsody" von Queen. Zwischendurch gibt's dann richtiges Musik-Kabarett, zum Beispiel eine köstliche Parodie auf die Geräuschproduktion moderner Komponisten. Und (leider erst) ganz am Ende ist dann auch noch ein Ausflug in den pechschwarzen Austria-Humor fällig. Ein Abend, der seinesgleichen sucht. Das Publikum reagierte enthusiastisch.

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